------------------------------Teil 3--------------------------
Demgegenüber vertritt das OLG Frankfurt in seinen Beschlüssen vom 02. August 1984 - 2 Ws (B) 133/84 OWiG - (Cramer/Berz/Gontard, Straßenverkehrs-Entscheidungen Nr. 6 zu § 35 StVO) und vom 25. Sep-tember 1991 - 2 Ws (B) 421/91 OWiG - die Auffassung, dass ein Feuer-wehrmann auf der Fahrt mit seinem privaten Pkw zum Feuerwehrstützpunkt § 35 Abs. 1 StVO nicht in Anspruch nehmen könne, da diese Fahrt noch keine hoheitliche Aufgabe erfülle, sondern allenfalls der Vorbereitung einer späteren hoheitlichen Aufgabe (Einsatz) diene.
Dem kann allerdings nicht zugestimmt werden, da auch die Vorbereitungs-handlung, die mit der Einsatztätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang steht, bereits als hoheitliche Aufgabe anzusehen ist (Schmidt/Buck BWVPr 1985, 221, 223), wozu auch das Zurückliegen des Weges zwischen der Wohnung und dem Feuerwehrort oder der Einsatzstelle gehört (Surwald, Feuerwehrgesetz für Baden-Württemberg, 6. Aufl., § 16 Rdnr. 6).
2. Obwohl damit von der Rechtsansicht des OLG Frankfurt abgewichen wird, be-steht, unabhängig von der Frage, ob die zu beurteilenden Sachverhalte gleich-gelagert sind und ob die Frage dort entscheidungserheblich war, keine Vorla-gepflicht nach § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG. Die Frage, ob dem Betroffenen die Sonderrechte des § 35 Abs. 1 StVO zustehen, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, da er unabhängig davon freizusprechen ist.
Der Betroffene handelte nämlich in einer Putativnotstandshilfesituation ent-sprechend §§ 11 Abs. 1, 16 OWiG, wobei sein Irrtum bezüglich des Fehlalarms nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Aufgrund der durch Funk erfolgten Alarmie-rung wegen einer Brandmeldung in einem Verbrauchergroßmarkt ging er von einer gegenwärtigen, nicht anders als durch den Feuerwehreinsatz abwendba-ren Gefahr für zumindest das Eigentum eines anderen aus. Dieses Rechtsgut, das er schützen wollte, überwog in der konkreten Situation auch das Rechts-gut der Verkehrssicherheit wesentlich, da bezüglich Letzterem aufgrund der mäßigen Geschwindigkeitsüberschreitung und der Tatsache, dass zu der rela-tiv späten Stunde auf der ausgebauten Ausfallstraße keine anderen Ver-kehrsteilnehmer beeinträchtigt wurden, keine Gefährdung vorlag und der Grad der drohenden Gefahr hierbei zu berücksichtigen ist (Göhler, OWiG 13. Aufl., § 16 Rdnr. 8).
Er handelte auch mit Rettungswillen und durfte darauf vertrauen, dass er we-gen eines tatsächlichen Alarmfalls gerufen wurde, da keine Anhaltspunkte dar-an zu zweifeln vorlagen und die besondere Tatsituation, nämlich der Zwang zu rascher Entscheidung, mitzuberücksichtigen ist (Rengier in Karlsruher Kom-mentar-OWiG, 2. Aufl., § 16 Rdnr. 71).
Außerdem befand sich der Betroffene in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 11 Abs. 2 OWiG, da er durch die Schulungen der Feuerwehr und auf-grund schriftlicher Unterlagen der Polizei der Auffassung war, dass er bei sei-ner Fahrt Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen könne, wenn er niemanden gefährde, was nach den Feststellungen der Fall war. Es fehlte ihm damit die Einsicht, etwas Unerlaubtes zu tun. Dafür spricht auch, dass er einen Dachaufsatz mit der Aufschrift „Feuerwehr im Einsatz“ auf sei-nem Pkw angebracht hatte. Weil seine Ansicht auf der Auskunft kompetenter Stellen beruhte, war sein Irrtum nicht vermeidbar.
III.
Da der Anwendungsbereich, in dem Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr bei einer alarmbedingten Fahrt im privaten Pkw zum Feuerwehrhaus oder zur Einsatzstelle Sonderrechte grundsätzlich in Anspruch nehmen können, äußerst begrenzt ist, muss es dem Verordnungsgeber vorbehalten bleiben, ob er zur besseren Erkennbarkeit und damit eventuell erweitert und gefahrloser möglichen Ausübung der Sonderrech-te dem Vorschlag, ein aufsetzbares gelbes Warnblinklicht im Sinne des § 38 Abs. 3 StVO auch für derartige Fälle einzuführen, näher tritt (vgl. Schmidt/Buck a.a.O., 225).
Wir lassen Messer und Gabel liegen ...
... um mit der "Schere" anderen zu helfen.