Hallo,
wenn ich mir so manche Aussagen zur Pressearbeit hier durchlese, dann stellen sich mir schon so ein paar Nackenhaare zu Berge.
Es ist völlig alltäglich, dass z.B. abgedeckte Leichen fotografiert oder gefilmt werden. Auch das Verladen des Leichnams ins Bestatterfahrzeug ist eine häufige Einstellung für TV-Nachrichten. Ob man das persönlich moralisch korrekt findet, ist eine andere Sache. Ich persönlich halte es nicht für unethisch oder sowas. Solch "krasse" Bilder sollen ja durchaus bewegen, damit z.B. Verkehrsteilnehmer mal nachdenken, bevor es zu Unfällen kommt.
Im Rahmen der Einsatz-Pressearbeit gibt es bei den Feuerwehren und Hiorgs viel nachzuholen. Ich selbst kämpfe als Pressesprecher häufig "gegen Windmühlen", weil Führungskräfte oft nicht verstehen, was Pressearbeit bedeutet. Bei Großeinsätzen (u.a. WJT) habe ich teilweise als S5 in der TEL Erfahrung mit so ziemlich allen "Journalistentypen" gesammelt (Print, Hörfunk, TV). Das Hauptproblem ist, dass wir bei uns keine koordinierte S5-Arbeit haben. Sowas gehört in den Alarmplan, wie ein LNA. In Bad Reichenhall hat man gesehen, dass 2 Stunden nach dem Ereignis die ersten TV-Sender Live-Schaltungen nach Oberbayern hatten. Kommt es zu einem Einsatz ,herrscht heiloses Chaos. Es gibt keine Einsatzkräfte, die die Medien betreuen, wenn dann Pressesprecher da sind, haben Sie entweder von Medienarbeit oder vom Einsatzgeschehen / Stabsarbeit keine Ahnung. Sind mehrere Organisationen im Einsatz, kommuniziert jeder vor sich hin. Die Feuerwehr gibt Infos heraus, die Hiorgs im schlimmsten Fall auch. Das THW war vielleicht da - ein endloser Sumpf, unterschiedliche Zahlen werden verbreitet, obwohl 95% der Leute eigentlich keine Auskunft geben dürfen.
Ich hab mal eine Feuerwehr-HP gesehen, auf der ein SEK-Zugriff mit Bildern dokumentiert war. Was das mit Pressearbeit zu tun hat (wahrscheinlich hats die Polizei nicht entdeckt) weiß ich auch net. Es gibt in fast jeder Feuerwehr jemanden, der den Artikel von der Jahreshauptversammlung oder dem Feuerwehrfest schreibt und eine Homepage betreut. Wenn mal ein Unfall passiert gibt er (hoffentlich offiziell im Auftrag der EL) einige Informationen raus. Kommt es dann zu einem Schadensereignis mit bundesweitem Medieninteresse, sind die Leute oft total überfordert. Eine offensive Pressearbeit verhindert z.B., dass die Presse ständig "im Unterholz wühlt", weil es ja Ansprechpartner gibt, die sie bedienen. Baut man im Einatz schnell eine S5-Struktur auf, die koordiniert und gesittet die Medienvertreter betreut, habe ich viele Probleme weniger. Alle Seiten sind zufrieden. Die Presse bekommt verlässliche Infos, die Fotografen ihre Bilder, die Hörfunk- und TV-Leute ihre O-Töne. Gleichzeitig kann man Spielregeln aufstellen, an die sich die Presse halten soll. Getreu dem Motto "eine Hand wäscht die andere". Es gibt einen schönen Spruch "Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor." Genau so ist es. Immer wenn ich Einsatzkräfte sehe, die mit Decken der Presse die Sicht nehmen, würde ich den EL gerne mal zu einer Schulung in Sachen Medienrecht schicken. Daraus könnte die Presse dem EL recht schnell einen Strick drehen. Machen sie meistens nicht, sondern sie denken sich ihren Teil. Eine konstruktive Zusammenarbeit sieht so aber auch nicht aus.
Zuletzt gibt es natürlich noch Leute, die sagen "über sowas sollte garnicht berichtet werden". Dass die Tagesschau (die ich nicht unbedingt zum Boulevard-Journalismus zähle) aber den Marktplatz einer Stadt im nahen Osten zeigt, auf der sich Stunden zuvor ein Attentäter in die Luft gejagd hat, stört scheinbar niemanden. Ist ein blutüberströmer Mensch aus Syrien oder Israel weniger schlimm als ein abdeckter Leichnam auf einer deutschen Landstraße? Noch ein Punkt ist (hier gibts einen Thread über die Sendung Notruf - da habe ich das schonmal gesagt), dass solche Berichte schlicht und einfach Mitgliederwerbung und Abschreckung zugleich sind. Wenn die Feuerwehr beim Festzug des örtlichen Volksfestes die Straßen sperrt, ist das sicherlich weniger Motivation für Leute, einzutreten, als wenn man Aktion, Blaulicht und vielleicht auch Chaos sieht. Das ist nunmal einfach so. Ganz abgesehen davon, dass die Unfallbilder, wie man sie in Deutschland sieht, sicherlich eher abschrecken, als Vorträge bei Fahrschulunterricht, in EH-Kursen oder sonstwo.
Viele Grüße
Tobias
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» Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. «
Konfuzius (551-479 v.Chr.), chinesischer Philosoph