Der Text ist zu lang für einen Post, drum hab ich ihn gesplittet, sorry, aber ich hab euch viel mitzuteilen und tu das gern ausführlich, um nicht missverstanden zu werden :)
Bitte um Nachsicht bei den Moderatoren, ich nehm mir hier mal frech sonderrechte :D
Sonderrechte innezuhaben ist die eine Sache, sie verantwortungsbewusst auszuüben, die andere. Und es steht leider außer Frage, dass vermutlich nicht alle dazu in der Lage sind.
Die Frage der Selbsteinschätzung ist ein weiteres Problem, denn wieso wickeln sich sonst gerade junge und frische Autofahrer öfters um den nächstbesten Baum als ältere und erfahrenere?
Die Fahrt mit Sonderrechten ist laut Gesetz, das hier schon so oft zitiert wurde - um es leger zusammenzufassen - dann erlaubt, wenn man qualifiziert helfen will bzw. eine hoheitliche Aufgabe zu erledigen hat. Beschränkt ist dies auf Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz, BGS, Bundeswehr und Zolldienst, sowie den Rettungsdienst.
Gehören HvO-ler zum Rettungsdienst? Nein, nicht unbedingt. Nur weil sie vielleicht auch dort arbeiten oder dort gearbeitet und Erfahrungen gesammelt haben sind sie meist in Ortsvereinen organisiert, also nicht direkt Teil des Rettungsdienstes. Somit besitzen sie (die Mitglieder) auch in der Regel kein entsprechend gekennzeichnetes Fahrzeug, es sei denn es steht generell als HvO-Bereitschaftsfahrzeug an einer Diensstelle oder Wache bereit. Der Sinn von HvO ist ja aber, möglichst frühzeitig nach dem Notruf das therapiefreie Intervall zu beenden, also möglichst schnell dem Patienten qualifiziert (!) helfen zu können. Was bringt ein Helfer, der zwar schnell da ist, aber schon bei Basismaßnahmen versagt? Deshalb gibt es ja vielerorts auch eine Mindestanforderung an Mitglieder von HvO-Teams. Das kommt denen, die motiviert sind und unbedingt helfen wollen, jedoch nicht qualifiziert sind, vielleicht undankbar vor, aber wenn es danach ginge, unqualifizierte Leute an den Unfall/Notfall heranzuführen, dann könnte man ja auch einen Nachbarschaftsmeldedienst einrichten, wo dann sämtliche Nachbarn alarmiert werden, um dann untätig und unfähig ins Wohnzimmer schlurfen und dem Notfallgeschehen bis zum Eintreffen des RTW etc. zuzusehen. Geholfen wäre dem Patient in diesem Moment sowohl mit den Nachbarn als auch mit dem unqualifizierten Helfer nicht.
Wie schon früher in diesem Thread angesprochen sind es oft Ehrenamtliche, die den Bereitschaftsdienst des HvO ausüben. Häufig sind es auch Personen, die wenig Erfahrungen mit der Inanspruchnahme jeglicher Ausnahmeregelungen der StVO haben, also selten mit Einsatzhorn und Blaulicht mit Wegerechten unterwegs waren oder auch nur mit Sonderrechten ohne Wegerecht. Wie kann man also von einem solchen Helfer erwarten, dass er grundsätzlich verantwortungsvoll mit Sonderrecht umgehen kann? Vielleicht kann er es, aber allein die Tatsache, dass er sich dem wunderbaren Dienst für das Leben und die Gesundheit des Patienten verschrieben hat, qualifiziert ihn nicht automatisch dazu. Von einem Hauptamtlichen Rettungsdienstmitarbeiter sollte man dies hingegen erwarten können.
Grundlegend halte ich es für angebracht, dass Helfer vor Ort ihren Einsatzort mit Sonderrechten anfahren dürfen. Denn sie werden ja schließlich nur dann alarmiert, wenn auch ein Rettungswagen mit Sonderrechten (und sogar Wegerechten) auf dem Weg zum Notfall ist. Warum sollte ein Ersthelfer nicht ebenfalls die im Rahmen seiner Ausstattung möglichen Rechte wahrnehmen dürfen? Wenn er ein blaues Rundumkennlicht mitführt, so kann er dies einsetzen um darauf hinzuweisen, dass er Sonderrechte in Anspruch nimmt. VORSICHT:
Diese Aussage wird sicherlich wieder zerfetzt, deshalb hier eine ausführliche Beschreibung der Hintergründe dafür:
Sonderrechte üben KEINEN Einfluss auf andere Verkehrsteilnehmer aus! D.h. wer mit Sonderrechten unterwegs ist (und das legitim) hat dennoch nicht das Recht, einem anderen Verkehrsteilnehmer beispielsweise die Vorfahrt zu nehmen (dazu ist Wegerecht nötig, was ein Einsatzhorn in Verbindung mit Blaulicht erfordert).
Dennoch: Die Inanspruchnahme von Sonderrechten wirkt sich unweigerlich auf andere Verkehrsteilnehmer aus. Wenn ich eine Geschwindigkeitsüberschreitung begehe kann es vorkommen, dass ich andere Verkehrsteilnehmer dabei überhole oder sie daran hindere beispielsweise aus einer Kreuzung auf meine Straße abbiegen zu lassen (wenn ich vorfahrt habe muss der andere Warten, so oder so), weil ich (zu) schnell bin. Es wäre in diesen Fällen sinnvoll, den Verkehrsteilnehmer darauf hinzuweisen, dass ich derzeit Sonderrechte in Anspruch nehme. So kann dieser meinetwegen freiwillig auf sein Recht verzichten, mich vorlassen. Tut er dies jedoch nicht, so muss ich ihm sein Recht lassen. Das ist der Punkt, den ich meinte. Die Kenntlichmachung von sonderrechten um andere Verkehrsteilnehmer dazu zu animieren, auf ihr Recht zu verpflichten. Tun sie es nicht, sind sie im Recht und unsere blaue birne blinkt umsonst, wir haben lediglich Sonderrecht damit angedeutet.
Ich möchte das an Fallbeispielen aufklamüsern, ums etwas klarer zu machen:
Ich fahre auf eine rote Ampel zu, bräuchte um sie als bevorrechtigter passieren zu dürfen Wegerecht, was ich ohne Einsatzhorn nicht ausüben kann. Ich fahre normal an die rote Ampel, schalte mein blaulicht ein, warte ab und nehme (wie man es in der Fahrschule gelernt hat :) ) Blickkontakt auf, ggf. warte ich auf anderweitige Reaktionen des Fahrzeugs (Lichthupe, stehenbleiben etc.).
Ist für mich deutlich erkennbar, dass der andere Verkehrsteilnehmer auf sein Vorrecht verzichtet, so kann ich die Ampel sicher bei rot passieren und spare damit vielleicht 20 Sekunden.
Hier wird nun wieder gestritten, was bringen einem 20 Sekunden?! 20 Sekunden an für sich bringen vielleicht nicht viel, aber komme ich an 4 Ampeln vorbei und komme dadurch vielleicht 1,5-2 Minuten früher am Patienten an, so ist das gewonnene Zeit. Entgegen vieler Aussagen in diesem Thread möchte ich behaupten, dass z.B. bei einem Reanimationspflichtigen Patient 2 Minuten deutlich ins Gewichtfallen können (!). Reanimationspflichtig, also CPR mit Thoraxkompressionen und Beatmung ist man eben dann, wenn der eigene Körper nicht mehr selbst in der Lage ist, eine Suffiziente Atmung und einen Kreislauf aufrechtzuerhalten was sehr schnell zu einer Hypoxie (Sauerstoffmangel) führt. Menschliche Zellen (vielleicht auch andere, kenne mich nicht in Veterinärmedizin bzw. Botanik aus) sind - mit Ausnahme der Nervenzellen - in der Lage, auch ohne Sauerstoff den Stoffwechsel aufrechtzuerhalten, den sogenannten "Anaeroben Metabolismus". Das heißt, eine Muskelzelle beispielsweise kann einige Minuten, ja einige dutzend Minuten ohne Sauerstoff weiterüberleben ohne abzusterben (mal abgesehen von der dadurch entstehenden Azidose). Anders ist das bei den menschlichen Nervenzellen, die schon nach Minuten beginnen zu degenerieren und nach 10 Minuten bereits völlig abgestorben sein können, wenn nicht sogar schon früher. Das Gehirn sowie natürlich sämtliche NErven bestehen aus diesen NErvenzellen. D.h. eine Hypoxie ist solange unkritisch, solange keine Nervenzellen betroffen sind. Da das jedoch bei einem Kreislaufstillstand der Fall ist, besteht allerhöchste Lebensgefahr, innerhalb von 5 Minuten kann sich der Zustand des Patienten so dramatisch verschlechtern, dass ein Überleben aller Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist.
Lasst und überlegen:
Patient erleidet Kreislaufstillstand (warum auch immer). Zum Erkennen der Angehöringen der akuten Situation braucht es sicherlich länger als 15 Sekunden. Sie werden den Patienten anzusprechen versuchen, ihn schütteln etc.
Gehen wir davon aus, die Angehörigen handeln geistesgegenwärtig und rufen den Notruf. Zunächst muss von der Leitstelle aufgenommen werden, also Daten erfasst und Unfallhergang geschildert werden (um entscheiden zu können, welche Rettungsmittel erforderlich sind). Lasst uns optimistisch denken und lasst für diesen Prozess nur 1 Minute vergehen. Der Notfall muss noch disponiert werden, lasst dafür noch 30 Sekunden vergehen, wir sind derzeit bei 1,75 Minuten nach Kreislaufstillstand (und das ist sehr optimistisch, bedenke Aufregung bei den Angehörigen, evtl. unsicherheit über die Frage, ob der Notruf gewählt werden soll, nicht ganz so schnelle disposition). Nun geht der Melder für RTW, NEF sowie HvO.