Lasst uns annehmen die Besatzung ist so schnell, dass sie es schafft, in 1 Minute abzurücken. Sie hat 4 Minuten anfahrt (das ist die Ausnahme, da müsste man ja quasi in sichtweite zur rettungswache umfallen). Schon sind 1,75+1+4 = 6,75 Minuten vergangen, seit der Notfall eingetreten ist. Schon jetzt könnte es zu spät sein, eine erfolgreiche Reanimation durchzuführen. Nach 6 Minuten ohne Sauerstoffversorgung im Hirn wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest zu Folgeschäden (Sprachstörungen, Lähmungen) führen, wenn nicht zum Hirntod.
Wir gingen hier von einem Idealfall aus. Nun lasst uns annehmen bis zum fertig disponierten Notfall vergehen 4 minuten (1 minute panik bei angehörigen, 30 sekunden unschlüssigkeit über anruf bei Leitstelle, 1,5min Aufnahme des Notfalls, 30 sekunden zur disposition)
Die Straßen sind voll, die Anfahrt dauert 10 minuten (Berufsverkehr, Baustellen, lange wege), sind wir schon bei 14 minuten nach Notfall, bis der RTW bzw. das NEF eintreffen.
Der HvO schafft die Strecke, weil er näher am Notfall ist ohne besondere Hinternisse in 3 Minuten. Kommt nun aber auch in den Berufsverkehr (rote Ampeln, verstellte Kreuzungen, + 5 minuten). JETZT kommen die Sonderrechte zur Geltung. Schafft er es, die anderen Verkehrsteilnehmer dazu zu bringen, freiwillig auf ihre Vorfahrt zu verzichten, kann er rote Ampelphasen um vielleicht 20-30 sekunden zu verkürzen, kann sich vorsichtig durch eine vollgestellte Kreuzung tasten, kann vielleicht auch mal auf dem rechtsabbiegestreifen bis an die spitze der Autoschlange zu fahren, so spart er viel Zeit. Gehen wir von 3 Ampeln und einer verstellten Kreuzung aus. An der ersten Ampel spart sich der HvO-ler das 40 sekündige warten auf grün, dadurch, dass er sich vorsichtig mit blaulicht über die kreuzung tastet, weil andere verkehrsteilnehmer ihn durch die kenntlichmachung seiner absichten vorlassen. an der kreuzung hätte er 30 sekunden warten müssen, bis die fahrzeuge, die sie verstopfen passiert sind. an der nächsten kreuzung gewinnt er durch überholen auf dem abbiegestreifen weitere 50 sekunden (da er sich nicht ganz hinten anstellen muss, sondern vorne wieder sanft über die kreuzung tasten kann). Er überholt weitere Fahrzeuge, die ihn vorlassen, da er durch das blaulicht kenntlich macht, dass er gerne sonderrechte in anspruch nehmen möchte und spart sich eine Fahrt mit 25km/h und fährt stattdessen mit 40 km/h an der schange vorbei, kann vorne wieder über die kreuzung tasten und gewinnt dadurch insgesamt eine weitere minute, die er ansonsten hätte schleichend im verkehr stehen müssen. Nun kommt er an die letzte rote ampel vor dem Notfall. Keine Möglichkeit zu überholen, da Gegenverkehr aufkommt. Mal ehrlich, wer lässt im Berufsverkehr ein Auto einfach überholen, macht auch noch platz, fährt womöglich halb im acker deswegen? Wenn ein auto von hinten kommt und drängelt und hupt, denk ich mir doch, dass der es eher eilig hat nach hause zu kommen, als dass da ein HvOler sitzt, der ein leben Retten will, oder nicht?
Hat das Fahrzeug das hupt aber ein blaulicht auf dem Dach, sieht die Sache etwas anders aus. Wieder kann versucht werden mit den gegebenen Hilfsmitteln (blaulicht, hupe, lichthupe) auf sich aufmerksam zu machen, um andere zu animieren, platz zu machen (was diese freiwillig dürfen, jedoch nicht müssen). So kämpft sich der HvO-ler aus meinem beispiel auto für auto voran und steht nicht als 25. fahrzeug in der schlange sondern hat sich bis zum 4. vorgearbeitet, bis die ampel wieder auf grün schaltet, muss also nicht warten bis die überholten 21 fahrzeuge alle angefahren sind und womöglich noch nicht mal alle über die grünphase kommen. weitere 2 minuten wurden eingespart.
summa sumarum: 40s+30s+50s+120s = 240s = 4min
Nun sind seit dem Eintreten des Notfalls diese 4 minuten plus die 3,5 minuten disozeit vergangen. 7,5 minuten liegt unser patient ohne kreislauf und mit einer hypoxie in den nervenzellen nun da.
der HvO beginnt mit der reanimation. der RTW kommt weitere 6 Minuten später, bis er sicht mit wegerecht seinen weg gebahnt hat. zwischen 7,5 und 13,5 minuten besteht für den Notfallpatienten ein deutlicher Unterschied. Nach 7,5 Minuten sind die Chancen zugegebenermaßen recht gering, aber nach 13,5 Minuten erst recht. Ohne die Inanspruchnahme von Sonderrechten des HvO-lers und der kenntlichmachung wäre auch er 4 minuten später gekommen, also 11,5 minuten nach notfallgeschehen, nur 2 minuten vor dem RTW.
Sehr lange Rede, kurzer Sinn: Minuten sind entscheidend, auch wenn das viele nicht so sehen, wer mir da wiedersprechen mag, möge bitte einen studierten Mediziner (und damit meine ich vorwiegend einen Notarzt) fragen, wie groß die Spanne ist. Er wird - wie ich behaupte - ähnliche Zahlen nennen, wenn nicht noch drastischere (3 minuten hilfsfrist bis zum zustand beinahe aussichtsloser situation)
Im ländlichen Raum, wo die Anfahrtszeiten der Rettungsmittel oft länger als 10 Minuten sind, wenn nicht sogar die Hilfsfrist überschreiten (z.B. bei schlechten witterungsverhältnissen) ist ein Helfer vor Ort, der nur 4-5 minuten nach notfall eintrifft und die nächsten 10-15 Minuten bis zum eintreffen eines Arztes/RAs überbrückt, goldwert. Er trägt deutlich zu höheren Überlebenschancen bei bzw. verringert die Wahrscheinlichkeit für Folgeschäden deutlich.
Wüsste ich mit Sicherheit von einem lebensbedrohlich oder vermutlich dauerhaft gesundheitsbeeinträchtigenden Notfall würde ich mir (selbstverständlich unter gebührender Vorsicht und unter Ausschluss der Gefährdung anderer - wie es die Inanspruchnahme von Sonderrechten ohnehin vorschreibt, jedoch auch zum gesunden Menschenverstand gehört -) gewisse Sonderrechte nehmen um diesen Notfall zu erreichen um möglichst schnell zu helfen. Das beinhaltet das überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzungen an Stellen, die gefahrlos sind (also gut überschaubar), das rechts überholen, das fahren gegen einbahnstraßen (natürlich nur, wenn der verkehr langsam fließt (z.B. 30er zone/spielstraße) und genügend ausweichmöglichkeiten bestehen, also natürlich NICHT auf schnellstraßen oder womöglich der BAB O_o)...
Begründen würde ich das hiermit:
§ 34 StGB
Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.