aus der Dithmarscher Landeszeitung vom 22.12.2006 (leider haben die kein Archiv)

Seelsorge im Gerätehaus
Wie die Feuerwehrleute den schlimmen Taucher-Unfall am Sperrwerk verkraften

Von Wiebke Reißig

Meldorf – Diese Weihnacht werden die Meldorfer Feuerwehrleute nie vergessen. Noch immer sind sie tief betroffen von dem, was sie am vorigen Montag am Meldorfer Sperrwerk erleben mussten.

Dennoch will die Wehr heute Abend ihre Punsch-Bude auf dem Rathaus-Markt wieder öffnen. Am vorigen Freitag blieb der Stand „aus gegebenem Anlass“ geschlossen, wie an der Luke zu lesen war. Stattdessen fuhren 20 Kameraden zur Beerdigung nach Itzehoe, um dem Feuerwehr-Taucher das letzte Geleit zu geben, der am Unglücksabend sein Leben ließ, als er einem Berufstaucher zu Hilfe kommen wollte. Dieser sollte ein defektes Hubschütz (Verschluss) an der Sperrwerk-Seeseite reparieren.

Nach bisherigen Erkenntnissen war das Hubschütz offenbar nicht richtig geschlossen, so dass beide Taucher wohl durch den ungeheuren Sog in den Umlaufkanal und in den Tod gerissen wurden. Vergebens hatten die Retter an Land noch versucht, die Taucher an den Sicherheits-Seilen zurückzuziehen. Doch sie konnten nicht riskieren, dass die Leinen reißen, erklärt Meldorfs Wehrführer Rolf Claußen, der den gesamten Einsatz leitete. Da das Wasser seeseits etwa 3,50 Meter höher war als innerhalb des Sperrwerks, wurden die Taucher vermutlich aufgrund des enormen Wasserdrucks durch die kaputte Öffnung in die Kammer hinein und dort gleich so weit nach oben gedrückt, dass die Helfer draußen sie nicht mehr zurückziehen konnten, erklärt Claußen.

Der 61-Jährige ist ein erfahrener Mann. Seit 20 Jahren führt er die Meldorfer Feuerwehr. Er arbeitet auch für den Kreis-Katastrophenschutz.

Vor allem die Hilflosigkeit am Unglücksort brachte die rund 100 Helfer (allein mehr als 30 Feuerwehrleute aus Meldorf und Nindorf) zum Verzweifeln. Tränen flossen, als auch der Versuch, das Sperrwerk zu fluten und die Verunglückten hindurchzuspülen, um sie dann auf der Innendeichseite zu retten, scheiterte. Es blieb nur zu warten, bis das Wasser sinkt.

Noch in der Nacht gegen 3 Uhr, als beide Taucher aus ihrer Todesfalle befreit worden waren, stand Notfall-Seelsorger Uwe Kraupner (Pastor in St. Michaelisdonn) den Helfern bei. Auch ein Notfall-Seelsorger aus dem Kreis Steinburg war vor Ort. Um die Hilfe zu vertiefen, lud Wehrführer Claußen für Donnerstag zu einem zweiten, ausführlicheren Treffen ein, diesmal mit der Meldorfer Pastorin Britta Taddiken. „Es hilft unwahrscheinlich, wenn man darüber spricht“, weiß Claußen.

Früher habe er zunächst nicht so viel von Notfall-Seelsorge gehalten, gesteht er. Inzwischen hat er mehrmals erfahren, wie notwendig diese Hilfe ist. Auch nach tödlichen Unfällen auf der Straße haben Notfall-Seelsorger die Meldorfer „schon ein paar Mal“ wieder auf die Beine gebracht. Schließlich müssen die Wehrmänner und -frauen sofort nach dem schlimmen Erlebnis wieder im Arbeits- und Schulalltag bestehen.

Dabei sind die Meldorfer Feuerwehrleute besonders jung (Altersdurchschnitt 32 Jahre). „Sehr viele kommen aus der Jugendfeuerwehr und wechseln schon mit 16 zum regulären Dienst.“ Sie erwarten rund 130 Einsätze im Jahr. „Da ist ihnen sehr wohl bewusst: Jetzt ist das Spiel vorbei.“