Vertraulicher Bericht
Digitaler Polizeifunk zu teuer
Das Innenministerium hält das Angebot der Bahn-Tochter für Bund und Länder nicht für akzeptabel. Die Kosten haben sich seit der Planung verdreifacht. Damit geraten die Pläne ins Wanken.
Von Ansgar Graw


Unsicher: Werden künftig wegen zu hoher Kosten vorerst weiter analog statt digital funken
Foto: ddpBerlin - Die bis 2010 geplante Einführung des digitalen Polizeifunks droht an zu hohen Kosten zu scheitern. Die Bahntochter DB Telematik, die den Betrieb des Netzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) verantworten soll, veranschlagt in einem Angebot an das Bundesinnenministerium Preise, die "mit den im Bundeshaushalt bisher veranschlagten Haushaltsmitteln nicht in Einklang zu bringen sind". Das schreibt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Karl Diller (SPD), in einer vertraulichen Vorlage ("VS - Nur für den Dienstgebrauch") für die Mitglieder des Haushaltsausschusses. So seien im Haushalts- und Finanzplan des Bundes Beträge in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro veranschlagt, führt Diller in seinem Schreiben vom 31. August aus. Dagegen verlange die DB Telematik rund 2,9 Milliarden Euro. Der Finanzstaatssekretär: "Auch die Länder werden dieses Angebot mit Blick auf die jeweilige Haushaltsvorsorge als zu teuer betrachten."

Über die Einführung des Digitalfunks für Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und andere Institutionen wird seit Ende der 90er-Jahre diskutiert. Vorläufig letzter Akt: Im August erteilte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dem deutsch-französischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS den Auftrag zur Bereitstellung der Systemtechnik. Die DB Telematik, die hingegen den Betrieb des Netzes verantworten soll, hatte Schäubles Amtsvorgänger Otto Schily (SPD) Anfang 2005 für das Projekt herangezogen - in der Hoffnung, der Betrieb des bahneigenen Funknetzes werde zu Synergien führen und Kosten senken.

Doch davon kann keine Rede sein. In dem der WELT ebenfalls vorliegenden 13-seitigen Bericht des Ministeriums an den Haushaltsausschuss heißt es, für die nächsten 15 Jahre habe man insgesamt 5,1 Milliarden Euro einkalkuliert. Der Richtpreis der DB Telematik belaufe sich hingegen auf 6,64 Milliarden Euro und überschreite damit den Ansatz um 1,54 Milliarden Euro. Bund und Länder teilen sich die Kosten für die Digitalfunkeinführung im Verhältnis von 44,5 zu 55,5 Prozent. Darum träfe die deutlich über den Planungen liegende Kalkulation die chronisch klammen Länder noch härter als den Bund.

Zwar hat die DB Telematik auch ein "Alternativangebot" übermittelt, in dem die Kosten für die nächsten 15 Jahre auf 4,6 Milliarden Euro "geschätzt" werden. Doch dieses Angebot erlaube "keine genaue Trennung der Kosten des Bundes und der Länder", bemängeln die Ministerialen. Außerdem habe der Anbieter in dem Alternativangebot "nicht realisierbare 40 Prozent Beistellungen von Standorten und Übertragungsstrecken durch Bund und Länder einkalkuliert, die die Kosten auf Seiten der DB Telematik senken, während Bund und Länder die Infrastrukturkosten in jedem Fall kalkulieren müssen".

Der Bericht bilanziert, die Preisvorstellungen der DB Telematik, die zudem "unverbindlich" seien und weder "Kostensicherheit" noch "Kostendeckelung" zuließen, könnten "von Bund und Ländern nicht akzeptiert werden". Eine "Kostensenkung und die Erklärung der Verbindlichkeit von Preisen (zumindest die Vereinbarung einer Kostenobergrenze) müssen deshalb das Ziel weiterer Verhandlungen sein", heißt es weiter.

Zu Beginn der Debatte um den Digitalfunk waren Gesamtkosten von bis zu neun Milliarden Euro im Gespräch. Das Innenministerium hatte den Betrag stetig reduziert. Jetzt dürften die Kalkulationen wieder nach oben gehen.

Artikel erschienen am Mi, 6. September 2006

http://www.welt.de/data/2006/09/06/1025931.html