Hallo Zusammen!
Dieser Text sollte die Fragen beantworten ... achso gefunden bei Laerdal
Von Staatsanwalt Ralf Tries, Koblenz 15.09.2001
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Es wird häufig die Frage gestellt, welche Ausbildung absolviert werden muss, um einen AED (automatischer externer Defibrillator) als „Ersthelfer“ anwenden zu dürfen.
Die Applikation von Stromstößen ist eine invasive Maßnahme und erfüllt jedenfalls nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung den objektiven Tatbestand der Körperverletzung. Da der Anwender um die Wirkungen des Stromflusses im Körper des zu Rettenden weis, begeht er die Körperverletzung sogar vorsätzlich. Straf- oder zivilrechtlich haftbar kann sich der Helfer aber allenfalls dann machen, wenn die Rettungsmaßnahme nicht gerechtfertigt ist. Entscheidender Rechtfertigungsgrund für eine solche invasive Maßnahme ist die mutmaßliche Einwilligung des zu Rettenden. Es kommt demnach darauf an, ob dieser zum Zeitpunkt der Hilfeleistung einer Defibrillation durch den Helfer zustimmen würde, wenn er hierzu noch in der Lage wäre. Selbstverständlich erwartet der Hilfsbedürftige von dem Bestqualifiziertesten gerettet zu werden. Anfangs kann dies aber auch ein medizinischer Laie sein, sofern dessen Maßnahmen nicht contraindiziert sind. Die ILCOR (International Liaison Committee on Resuscitation) hat in ihren internationalen Reanimationsrichtlinien die Evidenz der Frühdefibrillation durch Ersthelfer als gut bis sehr gut qualifiziert. Der medizinische Nutzen ist demnach nicht in Abrede zu stellen. Berücksichtigung fand dabei auch die Zumutbarkeit für Laien, Menschen zu defibrillieren. Ein AED der heutigen Generation ist einfach anzuwenden und zu warten.
Die Bundesärztekammer hat in ihrer "Stellungnahme der Bundesärztekammer zur ärztlichen Verantwortung für die Aus- und Fortbildung von Nichtärzten in der Frühdefibrillation" sowie "Empfehlung der Bundesärztekammer zur Defibrillation mit automatisierten externen Defibrillatoren (AED) durch Laien" allerdings unter scheinbar juristischer Argumentation der Frühdefibrillation Schranken gesetzt, die so nicht begründbar und nicht richtig sind. Als juristischer Aufhänger für die angegebenen Voraussetzungen einer Schulung und des Umgangs mit AED´s durch Laien wird auf § 22 Abs. 1 Satz 3 Medizinproduktegesetz (MPG) und § 5 Abs. 1 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) abgestellt. Diese Vorschriften gelten aber gemäß § 22 Abs. 4 MPG und § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV nicht für Medizinprodukte, die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt werden. Ein Laie, der beispielsweise für einen herzkranken Angehörigen einen AED anschafft, ist also nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an diese Vorschriften gebunden.
Ungeachtet dieser bereits undifferenzierten Gesetzesanwendung ist nicht ersichtlich, woraus die Bundesärztekammer den umfassenden Arztvorbehalt bei der Schulung und Anwendung von AED´s durch Laien wie auch die beispielsweise gegenüber Amerika wesentlich längeren Ausbildungszeiten herleitet. Wie ausgeführt, ist der juristisch entscheidende Rechtfertigungsgrund für eine Defibrillation die mutmaßliche Einwilligung des Patienten. Selbst bei umfassender Anwendbarkeit des MPG und der MPBetreibV findet sich keine Rechtsvorschrift, die den umfassenden Arztvorbehalt bei Schulung und Anwendung eines AED vorschreibt.
Wer als Laie einen AED anwenden will, ohne sich dem Vorwurf einer rechtswidrigen Körperverletzung auszusetzen, bedarf deshalb keiner weiteren Schulung als derjenigen, welche ihn in die Lage versetzt, einen AED so anzuwenden, dass dabei von der Einwilligung des Patienten ausgegangen werden kann. Demnach ist für die Schulung weder ein Arzt erforderlich, noch eine ärztliche Prüfung, noch eine spätere ärztliche Analyse. Dies gilt um so mehr, als die Anwendung eines AED der heutigen Generation einfacher und risikoloser als die Herz-Druck-Massage ist. Diese wird aber unter den als bekannt vorausgesetzten Umständen in jedem Sofortmaßnahmen-Kurs für Führerscheinerwerber gelehrt. Eine ärztliche Supervision der Frühdefibrillationsprogramme mag für die wissenschaftliche Evidenzklassifizierung wichtig und sinnvoll sein, steht aber nicht in einem zwingenden Zusammenhang mit der Geräteanwendung.
Die schon mit ihrer „Stellungnahme zur Notkompetenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst“ seit 1992 für viel Verwirrung sorgende Bundesärztekammer scheint nicht wahr haben zu wollen, dass auch ein Laie ohne ärztlichen Beistand mit ausgereifter Medizintechnik schnell erlernbar Leben retten kann. Bedauerlicherweise hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe (ASB, DLRG, DRK, JUH, MHD) in ihren „Gemeinsame Grundsätze zur Frühdefibrillation durch Laien“ den Vorgaben der Bundesärztekammer angeschlossen und zur Verunsicherung von Laienhelfern und vielen Ausbildern beigetragen.
Wichtiger als eine ärztliche Begleitung der Frühdefibrillationsprogramme erscheint nach alledem eine Schulung im Erkennen eines Herzkreislaufstillstandes und der Reanimationsmaßnahmen. Werden diese auf eine „Frühdefibrillation“ ausgeweitet, kommt es auf eine Einweisung in das Gerät ein, die dem Helfer einen sicheren Umgang damit für den Patienten, für sich und Dritte ermöglicht. Für eine solche Einweisung ist nach dem MPG und MPBetreibV nicht ein Arzt vorgesehen, sondern ein autorisierter Medizinprodukteberater (§ 32 MPG, § 5 MPBetreibV). Der Gerätehersteller oder eine befugte Person, die im Einvernehmen mit dem Hersteller handelt, sorgt demnach bei Firmen, Behörden, Kaufhäusern und anderen den Vorgaben des MPG und der MPBetreibV unterliegenden Betreibern von AED`s für eine ordnungsgemäße Inbetriebnahme. Dabei besteht die Möglichkeit für den Gerätebetreiber (z.B. Kaufhaus), eine oder mehrere seiner Helfer so schulen zu lassen, dass diese die Geräteeinweisung für andere Helfer des Betreibers selbst vornehmen können.
Bei der Einfachheit der Geräte kann es in einer Notsituation eines Kreislaufstillstandes sogar gerechtfertigt sein, die „Einweisung“ eines Anwenders auf die Kurzbeschreibung am Gerät und die geräteeigene Sprachanweisung zu beschränken.
(Bitte berücksichtigt, dass dieser Text im September 2001 verfasst wurde. Bei der Nennung des MPG sind noch die alten Paragraphen verwendet worden.)
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