Hallo!

Zitat Zitat von 7882378 Beitrag anzeigen
Ich bin mir sicher, Joe und Jürgen haben auch schon genügend Lehrgeld bezahlt.
Du kannst einem technisch unwissenden Kunden doch gar nicht erklären warum das Gerät schon wieder defekt ist obwohl es doch erst hier zur Rep. war.
Und letztendlich gibt es dann nur eine nachreparatur auf Kulanz damit die Sache nicht mit dem Kunden eskaliert.
Ärgerlich und vermeidbar wenn richtig repariert wird.
Lehrgeld beim Thema Tantals habe ich bisher noch nicht gezahlt.
In meiner Firmengeschichte (seit 2006) kann ich die Rückläufer nach einer Reparatur an einer Hand abzählen.
Dann waren unübliche Teile hin, die bei der ersten Reparatur noch unauffällig waren, oder Haarrisse in Leiterbahnen die nur schwer reproduzierbar sind.
Am tiefsten eingebrannt hat mich hingegen eine Teletron FuG8b-1 SE509 die innerhalb von zwei Monaten drei mal auf meinem Tisch landete.
Jedes mal mit dem selben Fehler.
Bei der Erstreparatur dachte ich an einer extrem heftigen Beschleunigung...VU oder Sturz aus größerer Höhe:
Denn um Unterbandzweig der Duplexweiche war ein Resonator extrem verformt und kuschelte mit dem Weichengehäuse.

Ersatzweiche gibbet nicht. Als neues Ersatzeil nicht mehr erhältlich, und auf meinem Schlachtregal war auch keine SE509 Weiche für 4m griffbereit.
Also all meine Handwerkskunst der Feinmechanik reingelegt und den Resonator wieder zurechtgebogen.
Neu abgeglichen, mehrfach innerhalb einer Woche durchgewobbelt um verspannungen aus zu schließen.

Zwei mal wurde die Kiste reklamiert, beim letzten mal habe ich sie abgeschrieben und dem Kunden vorgeschlagen das man daraus noch ein FuG8a machen könnte.

Was aber Tantals angeht habe ich schnell gelernt was das für eine Systematik ist:
Mehrere TFK FuG7b mit kurzgeschlossenen Tantals bekommen, bei denen ich den typischen Anfängerfehler machte:
Nur den akut defekten ausgetauscht, dann Strom drauf gegeben um zu gucken ob alle Spannungen und Ströme stimmen, ob bestimmte Funktionen eingeschränkt sind.
Keine 20 Sekunden später ein Zischen weiter hinten im Gerät, und keine 500ms später, keine 2cm neben meiner Hand noch einer mit ner Heftigen Stichflamme und flüssigem Plastikspritzer der knapp an meinem Auge vorbeisauste.

Meine Lehre:
Alle Bauteile in einem Funkgerät sind mutmaßlich genau so alt wie die anderen. Wenn einer am Ende ist, dann sind die anderen Tantals dicht dahinter. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage, Wochen...aber niemalsnie 2 Jahre welche es für eine Reparaturgewährleistung bräuchte.

Seit dem anderes Vorgehen wenn Tantals mit mehr als 20 Jahren Alter im Spiel sind:
Erster Testlauf des geschlossenen Gerätes - verifizierung des vom Kunden genannten Fehlers.
Anschließend spannungsfreier Blick ins Gerät...
Und nicht selten dann direkt: Alle Tantals raus und neue Elkos rein.
Und ja: Bei allen alten Geräten mit bedrahteten Bauteilen ersetze ich die Tantals gegen aktuelle Alu-Elkos LowESR, Induktionsarm, bis auf wenige Ausnahmen durchweg 105°C.
Tantals setze ich nur wieder ein, wenn es um aktuellere SMD-Geräte geht.

Damals (grob 1960-1980) hat man Tantals genommen weil sie "der letzte Schrei" waren, und eben damals hervorragend in Bezug auf Miniaturisierung und besonders kleinen Leckströmen.
Inzwischen bieten moderne Alu-Elkos jedoch noch kleinere baugrößen trotz höherer Spannungsfestigkeit, noch kleinere ESR's, noch kleinere Leckströme als damalige Tantals.

Zitat Zitat von 7882378 Beitrag anzeigen
Natürlich verstehe ich auch das Argument dass die Geräte doch gar keine 20 Jahre mehr halten müssen.
Wobei ich hier auch noch gespannt bin ob nicht irgendwann wieder Leute nach der bewährten analogen Technik schreien werden...
Wie gesagt:
Gerade die Z-Geräte sind besonders einfach um zu bauen auf andere Bandsplits.
Eine FuG9c/Z kann man beliebig zwischen 146-174MHz umbauen, eine FuG8b/Z beliebig zwischen 68-88MHz.
Somit werden die Geräte auch für andere Funkanwender in Europa interessant, nicht nur für Funkamateure.

Und wenn man über Europa hinaus schaut, und im Gegenzug die Stückzahlen mancher Zentrallager betrachtet:
Manche Länder auf der Welt würden sich freuen über ein paar tausend gut gewarteter und restaurierter Geräte.
Egal ob Zentralafrika, Afgahnistan oder andere Kandidaten: Überall muss Millitär, Polizei, Katastrophenschutz und ähnliche Sicherheitsstruktur auf- und ausgebaut werden. Und statt denen uralte FuG7b oder alten Krempel wie SEG100 und SEM35 zu geben, wären FuG8/9 sicherlich besser geeignet.

Die schlechteste aller Lösungen wäre es, die Sachen unkontrolliert dem Elektroschrottexport zuzuführen und Kinder in Entwicklungsländern die Platenen davon im offenen Feuer zu entlöten. Es sollte für uns schon beschämend genug sein das auch Elektronik aus Deutschland auf solchen Müllberge in Entwicklungsländern gelandet ist.

Grüße aus Dortmund

Jürgen Hüser