Pressebericht aus der Fachzeitschrift UB-Feuerwehr / TECHNIK:
Dynamische Alarmierung ( Digitalalarm Leitstelle Zwickau )
Der Rettungszweckverband Westsachsen hat seine Alarmierung auf eine digitale Systemtechnik umgestellt. Mit einer eigenen Software sind sie in der Lage, sehr schnell die Einsatzkräfte zu mobilisieren.
Feuerwehrangehörige erhalten mit der Alarmierung akustisch oder visuell bereits einsatzrelevante Informationen wie Einsatzstichwort, Ort, Ortsteil, Straße, Hausnummer, Objekt und Zusatzinformationen, z.B. mögliche Objektgefahren. Um solche Informationen möglichst schnell dem Empfänger zu übermitteln, hat die Berufsfeuerwehr Zwickau das Alarmsystem für die Landkreise Aue-Schwarzenberg, Chemnitzer Land, Zwickauer Land und Zwickau auf eine digitale Alarmierung umgestellt. Dazu hat sie ein spezielles „Dynamisch optimiertes Alarmierungsverfahren“ kurz „doAV“ entwickelt. So garantieren sie auch bei Großschadenlagen eine schnelle Alarmierung.
Feuerwehr befragte Andreas Gerber, Sachbearbeiter Kommunikation in der Abt.Leitstelle/Kommunikation der BF und Mitglieder der AG Digitale Alarmierung.
Fw:Sie haben digitale Meldeempfänger vom Typ Motorola LX 4 beschafft, für wen sind diese bzw. wer wird damit alarmiert?
Gerber:Insgesamt belief sich die Beschaffung auf 4.802 digitale Meldeempfänger (DME) und 314 digitale Sirenensteuerempfänger (DSE). Die BF Zwickau übernahm für die Städte und Gemeinden des Leitstellenbereiches, für die Landratsämter sowie für den Rettungszweckverband „Westsachsen“ die gemeinsame Beschaffung. Die gemeinsame Beschaffung kam zustande, da die BF Zwickau auch als Betreiber der Leitstelle für die Landkreise Aue-Schwarzenberg, Chemnitzer Land und Zwickauer Land sowie die kreisfreie Stadt Zwickau fungiert. Weiterhin war bei einer gemeinsamen Beschaffung die Hoffnung vorhanden, im Rahmen der europaweiten Ausschreibung auch das Preisniveau so gering wie möglich zu halten. Mit dem LX 4 von Motorola konnten somit alle Feuerwehren, Katastrophenschutzeinheiten und die Hilfsorganisationen die am öffentlichen Rettungsdienst teilnehmen, ausgestattet werden. So konnten wir unser Alarmierungssystem komplett innerhalb weniger Wochen auf die digitale Alarmierung umstellen.
Fw: Warum war eine Neubeschaffung erforderlich, wie wurde bisher alarmiert?
Gerber: Über die Einführung der digitalen Alarmierung haben wir bereits Ende der 90er-Jahre nachgedacht. Dies wurde notwendig, da unser Leitstellenbereich seit der Wende ständig größer wurde und damit verbunden auch die Anzahl der zu alarmierenden Einheiten.
Am 1.Juli 2001 erfolgte die Aufschaltung des Landkreises Aue-Schwarzenberg zur Leitstelle Zwickau.
Ab diesem Datum standen 181 Ortsteilfeuerwehren mit über 470 Einsatzfahrzeugen sowie über 80 Fahrzeuge der Notfallrettung und des Krankentransports des Rettungszweckverbandes „Westsachsen“ für die Disposition der Einsätze im Leitstellenbereich zur Verfügung. Die Alarmierung erfolgte über unser Gleichwellenfunknetz. Der Sprechfunkkanal der Feuerwehr wurde gleichzeitig als Alarmierungskanal der entsprechenden Fünftonfolgen genutzt.
Bei größeren Ereignissen, hauptsächlich bei Unwetterlagen die größere Gebiete des Leitstellenbereiches betrafen, stieß die analoge Alarmierung in Verbindung mit dem Sprechfunk an seine Grenzen. Als dann im August 2002 das Hochwasser auch unseren Leitstellenbereich erreichte, wurde
dies für alle Beteiligten sehr deutlich. Dies war dann auch die Initialzündung für die Umstellung des Alarmierungssystems von analog nach digital. Zu Gute kam noch, dass unser Anliegen zur Umstellung des Alarmierungssystems bereits vor 2002 im sächs.Staatsministerium des Innern bekannt war. Im Jahre 2003 wurde uns vom Ministerium signalisiert, dass eine Förderung des Netzaufbaus und die Beschaffung der Endgeräte mit bis zu 75 Prozent möglich wäre.
Das digitale Netz konnte nach Bereitstellung des Eigenanteils der Landkreise sowie der Stadt Zwickau und der Fördermittel durch den Freistaat Sachsen sowie der entsprechenden Planung bis Ende 2004 errichtet werden. Als digitales Alarmierungsnetz kommt das System der Firma Swissphone zum Einsatz.
Fw: Wie verlief die Ausschreibung?
Gerber: Auf Grund des Größenvolumens dieser Beschaffung erfolgte eine europaweite Ausschreibung. Der wirtschaftlichste Anbieter gewann die Ausschreibung. Bei den digitalen Meldeempfängern war dies der LX 4 von Motorola / Oelmann und bei den Sirenensteuerempfängern erhielt die Firma PSE den Zuschlag. Im Rahmen der Optimierung der Netzinfrastruktur haben wir natürlich auch andere Geräte getestet. Dies waren unter anderem der BOSS920 von der Firma Swissphone und der LX 2
sowie der LX 4 von Motorola / Oelmann. Der BOSS920 als auch der LX 4 erfüllten unsere strengen Vorgaben. Da eine sinnvolle RIC-Vergabe über das ordnungsgemäße Funktionieren einer digitalen Alarmierung entscheidet, wurde schon frühzeitig in der Leitstelle Zwickau beschlossen, die Erarbeitung der RIC-Zuordnung und die Programmierung der Endgeräte selbst vorzunehmen. Unmittelbar mit der Lieferung der LX 4 begann die Programmierung an drei Programmierplätzen. So wurden durch Motorola / Oelmann am 22.12.2006 die letzten Geräte geliefert. Am 19.01.2007 waren alle Geräte programmiert, an die Gemeinden übergeben und in Betrieb genommen.
Fw: Welche Anforderungen hatten Sie an die neuen Meldeempfänger?
Gerber: Bisherige Alarmierungsmodelle in Deutschland waren oder sind statisch. Das gibt es in Zwickau schon seit 6 Jahren nicht mehr. In Abhängigkeit von verschiedenen Voraussetzungen (Tageszeit, Einsatzart usw.) ermöglicht das System der Leitstelle die Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehren nach deren Vorstellungen und Möglichkeiten. Damit kommt ein statisches Alarmierungssystem für die digitale Alarmierung nicht in Frage.
Jeder RIC wird in der Leitstelle Zwickau so benutzt, wie er o. g. Voraussetzungen am schnellsten und effektivsten dient. So kann der RIC je nach Bedarf als Komponente in einer Bündel-Alarmierung (vergleichbar der Expressalarmierung von Swissphone), als Einzelruf (Alpha-RIC mit Textübertragung) oder als Nur-Ton-RIC mit späterer Textübertragung (verschiedene Texte in der Alarmierung) verwendet werden.
Wenn der Disponent der Leitstelle den Alarmierungsvorschlag akzeptiert, beläuft sich die Alarmierungszeit über alle vier Ringe auf ca.17 Sekunden bis jeder Kamerad den Text mit der Einsatzadresse auf seinem LX 4 hat. Diese Zeit bezieht sich auf 11 RIC´s
in einer Alarmierung und 85 Zeichen Text. Befinden sich Kameraden im Bereich des ersten Rings sind natürlich die Alarmierungszeiten noch günstiger.
Die Arbeitsgruppe Digitale Alarmierung der Leitstelle formulierte Anforderungen an die Meldeempfänger, die in Gesprächen mit den Herstellern (Motorola/Oelmann und Swissphone) umgesetzt wurden.
Primär wurde die Änderung der Firmware der Geräte diskutiert. Da gab es mit den Entwicklungsabteilungen der Hersteller i. d. R. Konsens.
Es wurden zum Beispiel folgende Änderungen eingearbeitet:
-dynamische Alarmierung gem.doAV
-hellere Displaybeleuchtung
-optische Anrufsignalisierung durch blinkendes Display
-Zugriffsschutz bei nicht autorisiertem Programmierzugriff (EEPROM-Verrieglung)
-höhere Lautstärke durch zusätzliche Piezo
-an- und abschaltbarer Feldstärkealarm
-zuschaltbare Dauerbeleuchtung
Fw: Was ist ein dynamisch optimiertes Alarmierungsverfahren?
Gerber: „Dynamisch optimiertes Alarmierungsverfahren“, kurz „doAV“, ist ein Projekt der Leitstelle Zwickau, das sich aus folgenden vier Hauptkomponenten
zusammensetzt:
- Infrastruktur
- Organisation
- Software (Schnittstelle ELS->DAG)
- Digitale Endgeräte
Die Effizienz von doAV ist nur durch ein optimales zusammenwirken dieser vier Komponenten gegeben. Ziel von doAV ist es, die Alarmierung der Kräfte zeitlich optimal zu organisieren und durchzuführen.
>>Infrastruktur = ringförmig
>>Organisation = Hier wurde die Zuordnung Kräfte RIC auf der Grundlage der jeweiligen “Ausrückeordnungen”so organisiert, dass bei einer Alarmierung die Möglichkeiten von POCSAG effizient ausgenutzt werden.
Dabei wird eine möglichst hohe Auslastung der Codewortgruppen (BATCH) angestrebt.
Die Alarmierungen der einzelnen Kräfte werden in aller Regel in einem Telegramm ausgesendet. Das heißt, nur eine Aussendung pro Einsatz. Vergleicht man eine Aussendung mit den Waggons eines Zuges, so werden die Platzkarten so organisiert, dass wenige Waggons angehängt werden müssen. Also alle möglichst im ersten Waggon mitfahren. Das spart sehr viel Zeit. Die RIC-Organisation wurde 2005 gestartet. Es begann mit der Analyse der Ausrückeordnung der Feuerwehren, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Die RIC-Organisation wurde getestet und überprüft, dabei halfen auch eigens dafür entwickelte Software-Tools.
>>Software = eine Entwicklung der LS Zwickau ist die Schnittstelle zwischen ELS (Intergraph Public Safety) und Infrastruktur (Swissphone). Hier sitzt die dynamische Komponente des Systems.
Alle”ausgelösten”Alarmierungen zu einem Einsatz werden zu einem Auftrag zusammengefasst, die Priorität ermittelt und in eine “Auftragsschlange”gestellt. Aufträge mit höherer Priorität genießen Vorrang. Die RIC´s innerhalb eines Auftrages
werden optimal sortiert und die Sendedauer berechnet.
An dieser Stelle wählt das System die beste von fünf “Sende Logik”-Varianten aus. Die Kommunikation mit der Infrastruktur erfolgt über ein Protokoll von Swissphone, das “auftragsorientierte” Aussendung unterstützt. Die Digitalen Endgeräte müssen dieses dynamische Verhalten unterstützen, um die volle Leistungsfähigkeit des Systems ausnutzen zu können.
Für andere Geräte wird jedoch in jedem Fall zumindest eine Alarmierung
auf “DME I”Standard garantiert, d.h. es erfolgt immer eine Alarmierung, eine Textübertragung bei Alpha-Meldern wird jedoch nicht in jedem Fall erfolgen.
Fw: Wir danken für das Gespräch.