Behördenspiegel- weiteres Zitat:

"Digitaler Behördenfunk in rauer See?
Digitalfunk kommt später und wird teurer
(10. August) Schaut man den aktuellen Internetauftritt der Bundesanstalt für den Digitalfunk der BOS (BDBOS) an, scheint die Welt des digitalen Behördenfunks völlig in Ordnung zu sein. Im Mittelpunkt des Auftritts steht mit der Schlagzeile "Der Digitalfunk startet in Berlin" noch immer der von der Anstalt organisierte gemeinsame Pressetermin von Bundesinnenminister Schäuble und Innensenator Körting, bei dem am 18. Mai 2009 die nahezu vollständige Bereitstellung der Netzinfrastruktur für den Digitalfunk in Berlin gefeiert wurde. Einen Hinweis auf die im April 2009 vom Verwaltungsrat der BDBOS beschlossene folgenreiche Streckung des Zeitplanes für den Aufbau des Digitalfunknetzes um zwei Jahre findet nur ein kundiger Leser, der zudem zwischen den Zeilen zu lesen versteht. In der Internetpräsentation des Rollout-Planes im Internet heißt es dazu gut versteckt: "Wegen der Qualitätsstandards und der teilweise erhöhten Basisstationsanzahl wird davon ausgegangen, dass auch 2012 noch Basisstationen hinzukommen und auch Gebiete außerhalb der Siedlungsflächen in diesem Rahmen vollständig abgedeckt werden."
Man erinnert sich noch an das Versprechen von Otto Schily, der Digitalfunk komme pünktlich zur Fußball-WM 2006. Dann gab es Alleingänge des ehemaligen Bundesinnenministers, Verträge per Handschlag und einen festgefahrenen Konflikt mit allen Bundesländern über die Kosten für Netzaufbau und Betrieb in Höhe von rund fünf Milliarden Euro. Seit April 2007 existiert nun die BDBOS, die als Bund-Länder-Behörde mit dem Ziel an den Start gebracht wurde, für die BOS bis spätestens 31.12.2010 ein digitales Sprech- und Datenfunksystem einzuführen und als Gesamtnetz in Betrieb zu nehmen.
Der Digitalfunk kommt nun nicht nur später, sondern wird auch wesentlich teurer als bislang geplant, das ist die jüngste Erkenntnis, zumindest die der Mitglieder des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Nichtöffentliche Tagesordnungspunkte der 99. und 104. Sitzung des Haushaltsausschusses waren Sachstandsberichte zur Einführung des Digitalfunks und die Darstellung der damit zusammenhängenden Kosten des Bundes bis 2021. Demzufolge werden allein die Kosten des Bundes nunmehr um fast 30 Prozent auf insgesamt 3,625 Milliarden Euro steigen.

Besonders die Einbindung der vielen Freiwilligen und Berufsfeuerwehren in den Digitalfunk wird als besonders problematisch gesehen.

(Foto: BS/EADS)


BDBOS in Frage gestellt

Neben der Kritik der ständigen Verzögerungen und Kostensteigerungen des Digitalfunkprojektes stellten die Haushaltspolitiker schließlich auch die Kompetenz der Verantwortlichen im Bundesministerium des Innern in Frage. Da die Bewilligung weiterer Haushaltsmittel nur in Abhängigkeit der Schaffung einer vollständigen Transparenz der Kosten zu erwarten ist, zog das Bundesinnenministerium inzwischen eine erste Konsequenz aus der verfahrenen Situation. Die bislang im Referat B 5 der Abteilung B angesiedelte Projektgruppe für den Digitalfunk der BOS wird verstärkt und agiert künftig als eine eigenständige Organisationseinheit in der Abteilung B. Alle mit dem Digitalfunk zusammenhängenden Aufgaben wie z. B. die Rechts- und Fachaufsicht über die BDBOS, die Fachaufsicht über die autorisierten Stellen des Bundes, die Abstimmung mit den BOS des Bundes, die Grundsatzentscheidungen zum Kernnetz, die Wahrnehmung der Pflichten des Bundes beim Aufbau des Zugangsnetzes und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel von Kapitel 0602 - Titelgruppe 02 (Bundesanteil) werden ab sofort von der neu gebildeten Projektgruppe "PG DBOS" wahrgenommen. Nach dem 31.12.2011 wird anhand des Projektfortschrittes eine Evaluierung dieser Neuorganisation erfolgen.

Kleines Gremium für den Digitalfunk

Da die Projektverzögerungen und entsprechenden Kostensteigerungen auch an den Ländern nicht spurlos vorbeigehen werden und sich zudem herausgestellt hat, dass nicht alle Prozesse bei der BDBOS und in den Ländern optimal laufen, werden aus dem Kreis des Verwaltungsrates der BDBOS heraus dessen Vorsitzender, Staatsekretär Dr. August Hanning, BMI, und die Innenstaatssekretäre Rudolf Köberle (Baden-Württemberg), Wolfgang Meyerding (Niedersachsen) und Dr. Michael Wilhelm (Sachsen) das Digitalfunkprojekt ab sofort intensiv unterstützen und begleiten, Prozesse überprüfen und ggf. neu justieren. Ab Januar 2010 wird Dr. Stefan Schulz (Innenbehörde Hamburg) Meyerding ablösen und die Bundesländer im Norden der Bundesrepublik vertreten. Dieses Gremium, das regelmäßig tagen wird, übt allerdings keinerlei Aufsichts- und Kontrollfunktionen gegenüber der BDBOS oder den Ländern aus.


Dies ist ein Artikel aus der August-Ausgabe des Behörden Spiegel.

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Im schwierigen föderalen Umfeld hatte es die BDBOS mit ihren größtenteils unerfahrenen Mitarbeitern von Anfang an nicht gerade leicht. Bei aller Kritik darf nicht vergessen werden, dass die Organisation der Bund-Länder-Behörde daran orientiert war, den Aufbau und Betrieb des Digitalfunknetzes zu organisieren und zu beaufsichtigen und nicht, um selber operativ tätig zu werden. Durch die notwendige Übernahme von operativen Aufgaben unter anderem für die Länder Hessen, Saarland und Thüringen unter Beibehaltung ihrer schlanken Organisation war sie von der Anlage her einfach überfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass ihr seitens der Beratungshäuser teilweise nur recht unerfahrenes Unterstützungspersonal zur Seite gestellt wurde. Ursächlich dafür waren offensichtlich die von der BDBOS deutlich zu niedrig zugestandenen Tagessätze für Beratungsleistungen.
Aktueller Status des Projektes

Nach einigen Recherchen stellt sich der aktuelle Status des Digitalfunkprojekts der deutschen BOS wie folgt dar: Von den bundesweit insgesamt rund 4.300 benötigten Basisstationen sind bis heute noch nicht einmal 350 Stationen installiert. Erst 220 davon befinden sich in Betrieb. Bis zum Jahresende 2009 wird es kaum mehr als 650 installierte Stationen geben. Damit am Ende des Jahres 2012 tatsächlich alle 45 Netzabschnitte durchgängig funkversorgt sind, müssten ab 01.01.2010 monatlich mindestens 150 Neuinstallationen erfolgen. Eine nach dem bisherigen Verlauf kaum erreichbare Leistungssteigerung. Damit dürfte auch der neue Schlusstermin mit einem Fragezeichen zu versehen sein. Fest steht dagegen, dass für den bis zum 31.12.2009 terminierten geringen Interimsbetrieb die unglaubliche und nicht nachvollziehbare Summe von insgesamt rund 190 Millionen Euro fällig sein wird. Um von den hohen Kosten des Interimsbetriebes endlich herunterzukommen, ist es sehr wichtig, alsbald einen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren Regelbetrieb zu erteilen und den Wechsel zum Regelbetrieb spätestens für das Jahresende 2009 vorzusehen. Eine baldige Entscheidung ist zudem auch notwendig, um weiteren Projektverzögerungen und Kostensteigerungen entgegenzuwirken. So sind bei einer Auftragserteilung an den bisherigen Interimsbetreiber, der Kooperation EADS/T-Systems, mit einiger Wahrscheinlichkeit vergaberechtliche Einsprüche der Mitbewerber Alcatel-Lucent und Nokia Siemens Networks nicht auszuschließen. Damit würde eines der umstrittensten Probleme im Vergaberecht, der Umgang mit der Vorbefasstheit von Bietern, auf zeitraubenden Richtertischen landen.

Nach dem Behörden Spiegel vorliegenden Informationen haben das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern und die BDBOS die Bewertung der Angebote der Bieter nahezu abgeschlossen. Sie werden ihre Empfehlung für die Vergabe des Auftrages "Regelbetrieb" in Kürze dem Verwaltungsrat der BDBOS vorlegen, sodass mit der Zuschlagserteilung spätestens Anfang Oktober 2009 zu rechnen ist.


Einbindung der Leitstellen in die BOS

Die Länder, die sich bislang mit Beschaffungsmaßnahmen zurückgehalten haben, richten diese nunmehr an den neuen Terminplänen für den Netzaufbau aus. Nachdem das Gesetzgebungsverfahren zur Zertifizierung der Endgeräte nach Anrufung des Vermittlungsausschusses und Nachgeben der Länder inzwischen abgeschlossen wird, steht einer Endgerätebeschaffung grundsätzlich nichts mehr im Wege. Es steht lediglich noch der Erlass einer Rechtsverordnung durch den Bundesminister des Innern aus. Die von den Ländern im Vermittlungsausschuss vorgebrachte Sorge, der geplante Umzug der Testplattform von Ulm nach Berlin werde das Zertifizierungsverfahren behindern, konnte inzwischen ausgeräumt werden.

Der Umzug wird stufenweise und zeitversetzt erfolgen, sodass immer eine Teststraße für die Zertifizierung zur Verfügung steht. Problematisch erscheint aber nach wie vor die Einbindung der Leitstellen der BOS in den Digitalfunk zu sein. Die BDBOS weist die Schuld für die bislang rückständige Behandlung des Themas einseitig der Industrie zu. Sie verweist darauf, dass die proprietäre Leitstellenschnittstelle des EADS-Funksystems offen gelegt sei und die Referenzplattform für Tests bereits seit Mitte 2007 zur Verfügung steht. Die Industrie sieht dies allerdings etwas anders. Sie will bislang vergeblich auf eine verbindliche Abstimmung mit der bei der BDBOS gebildeten Arbeitsgruppe gewartet haben. Wie auch immer, die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Tatsache ist, dass auf Länder- und Kommunalebene vorrangig das Problem der Vielzahl heterogener Systeme zu lösen ist.

Das BMI plant, im Rahmen des Umsetzungsplans "IT-Steuerung Bund", die Kommunikationsnetze des Bundes (NdB) zu harmonisieren und neu auszurichten. Ziel ist die Zusammenführung der Vielzahl der Netze möglichst in einem hoch modernen, performanten und besonders sicheren Netz. Welche Auswirkungen dies auf das bereits in Realisierung befindliche Backbone-Netz des Digitalfunksystems der BOS hat, lässt sich derzeit noch nicht abschließend einschätzen."

Zitat Ende

Auch und gerade weil ich Befürworter der Einführung bin, finde ich diese realistische Berichterstattung gut.