Fallbesprechung "Fussballer"
Moin,
ich hatte nach der doch recht positiven Resonanz von der letzten Fallbesprechung versprochen noch was rauszusuchen.
Hier Fallbeispiel Nr. 2 - have fun:
Sie werden mit Ihrem RTW-Team, bestehend aus 1 RA, 1 RAiP und 1 KrSchw. als
Praktikantin, als sog. "KTW-sofort" zu einem Sportunfall auf einem ca. 9 Km
entfernten Sportplatz gerufen. Sie rücken zügig aus; Ihre ca. 10-minütige
Anfahrt ohne Sonder- und Wegerechte verläuft störungsfrei.
Am Einsatzort angekommen, werden Sie von mehreren Leuten in Empfang genommen,
die Sie aufgregt herbeiwinken. Da es sich ja um einen "normalen KTW-Einsatz"
handelt, und es gewiß nicht so schlimm sein kann, verstehen Sie die Aufregung
nicht, laden Ihren Notfallkoffer und das Beatmungsbrett auf die Fahrtrage und
begeben sich zügigen, aber gelassenen Schrittes zum Sportplatz.
Unterwegs überhören Sie souverän die bissigen und unqualifizierten Kommentare
der umherstehenden Zuschauer.
Sie finden dann einen 29-jährigen Fußballspieler auf dem Platz auf dem Rücken
liegend vor.Der Patient wird von einem Teamkameraden, dem Trainer und einer
weiteren Person betreut. Der Spieler ist nicht ansprechbar und auch auf
Schmerzreiz nicht erweckbar, Ihnen fällt jedoch sofort ein erhöhter Muskeltonus
und ein Augenflattern auf. Atmung, Kreislauf und Schutzreflexe sind suffizient
erhalten. Ihr Team bekommt kurz folgenden Hergang geschlildert: Der Patient stieß
bei einem Kopfballduell mit einem weiteren Spieler heftig zusammen und wird zu Boden
geschleudert. Danach ist er zunächst zwar benommen aber gut ansprechbar. Er klagt über
Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen und Luftnot. Zu diesem Zeitpunkt beschließt
der Mannschaftsbetreuer, "den Krankenwagen" zu rufen Nach etwa 10 Minuten trübte der
Patient plötzlich ein und sei seit dem im vorgefundenen Zustand. Parallel zur Erhebung
der Vitalfunktionen (RR 125/75, P 65, BZ 101) und des gezielten und grob
orientierten Bodychecks alarmiert ein Teampartner ein NEF nach. Nebenbei outet sich
der dritte Helfer als ehrenamtlicher Rettungshelfer einer befreundeten
Hilfsorganisation, welcher aber scheinbar von der Situation eher fasziniert ist,
unpraktikable Vorschläge macht und weniger hilfreich ist, als dass er vielmehr
an maligner Logorrhoe und Hypertrophie zu leiden scheint. Ihnen ist klar, dass
es hilfreicher ist, diesen Helfer aus der Szene zu entfernen und so bitten Sie
ihn, zusammen mit einem Teamkollegen zusätzliches Equipment (Schaufeltrage,
Vakuummatratze, Absaugpumpe und Stifneck) zu holen. Der Bodycheck ergibt:
Keine sichtbaren offenen Verletzungen oder Prellmarken am Schädel. HWS scheint
frei. Brustkorb stabil, keine Krepitation hör- oder spürbar. Lungen frei und
seitengleich belüftet. Am Abdomen fällt Ihnen sofort unter dem rechten Rippenbogen
eine deutliche Schwellung im Sinne einer Prellmarke auf. Im Bereich der Schwellung
ist das Abdomen hart und abwehrgespannt und offenbar stark druckdolent, ansonsten
ist es weich. Arme und Beine sind frei beweglich und ohne erkennbare Verletzungen.
Muskeleigenreflexe sind normal bis leicht verstärkt. Pupillen sind nicht beurteilbar,
da der Patient bei fast gewaltsamen Öffnen der Augenlider die Augen nach oben verdreht.
nach der Untersuchung legen Sie inzwischen einen venösen Zugang 18G am linken
Handrücken, nachdem ein erster Punktionsversuch am Unterarm mißlungen ist. Über den
Zugang läuft zügig Ringerlösung. Ein mitttlerweile beschaffter Stifneck wird angelegt,
die Verbringung mittels Schaufeltrage auf die Vakuummatratze wird vorbereitet.
*Der Notarzt betritt die Szene*
Nach der Übergabe schließt der NA auf die Arbeitsdiagnose einer intrakraniellen
Blutung und beschließt, den Patienten unverzüglich in den RTW verbringen zu
lassen, ihn dort zu intubieren und unter Voranmeldung in das nächste
Unfallkrankenhaus (Städtische kliniken Dortmund Nord) zu transportieren.
Nach der Verbringung in den RTW beginnen Sie mit den Vorbereitungen für die
Narkoseeinleitung und Intubation. Plötzlich schlägt der Patient mit der Frage
"Wo bin ich" die Augen auf. nach kurzer Phase der Desorientierung ist der
Patient voll orientiert und bewußtseinsklar (GCS 15). Er beschreibt das
Unfallgeschehen lückenlos. Er gibt außerdem verläßlich an, zu keinem Zeitpunkt
eine ernsthafte Berührung am Kopf erlitten zu haben. Somit ist die Arbeitsdiagnose SHT mit
V.a. ICB nicht mehr haltbar.
Der stabile Patient wird anschließend dennoch mit NA-Begleitung in das KH
gefahren.
Und nun die Diskussionsfragen:
A: Was ist an diesem Einsatz nicht so optimal gelaufen und wo lagen die
Fehler, bzw. was hätte man besser machen können?
B: Wie ist der "Abwesenheitszustand" des Patienten am ehesten zu erklären?
C: Wie hätten Eure Arbeitsdiagnosen in den jeweiligen Stadien des Einsatzes
gelautet und wie wären Eure Maßnahmen gewesen und warum?
D: Was hättet Ihr mit dem hypertrophen Helfer angestellt und wie wärt ihr
mit den Zuschauern umgegangen?
Bei allem bitte bedenken, dass Ihr diese Angaben jetzt nach einer Beschreibung
vom "grünen Tisch" aus machen werdet und nicht selbst in der Situation wart
;-)
Greetz,
Christian