Fahrplan zum digitalen Behördenfunk weiter offen
Guten Abend,
und mal wieder etwas über den Dauerbrenner.
Fahrplan zum digitalen Behördenfunk weiter offen
Auf einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags am heutigen Montag in Berlin waren sich Experten uneins in der Bewertung des rot-grünen Gesetzesentwurfs zur Errichtung einer "Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben" (BDBOS-Gesetz). Die Regierungskoalition will mit dem Vorstoß zu der vom Bundeskabinett bereits beschlossenen Etablierung der Institution öffentlichen Rechts die marode Situation beim analogen Behördenfunk rascher beenden und insbesondere das Vergabeverfahren für die nächste Generation der Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden erleichtern. Während die künftigen Anwender das Gesetz begrüßen, zieht sich durch die Länder eine Kluft zwischen Befürwortern und Gegnern der Initiative.
Laut dem Leiter der Berliner Feuerwehr, Andreas Broemme, hat die von der Opposition zum jetzigen Zeitpunkt abgelehnte Bundesanstalt den "klaren Auftrag", für Abstimmung zwischen Bund und Ländern zu sorgen. Ihm käme die Gründung eines "kleinen, feinen, schlagkräftigen Bundesamtes" daher sehr gelegen, um das anstehende milliardenschwere Digitalisierungsprojekt "präzise zu verfolgen". Eile sei geboten, da die Unterhaltung des analogen Funksystem "sehr viel Geld" verschlinge und etwa beim Rettungsdienst Patientendaten bislang noch immer unverschlüsselt verteilt würden.
Auch Rüdiger Korp vom nordrhein-westfälischen Innenministerium sprach von Dringlichkeit. Die geplante neue Anlaufstelle für die "Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben" (BOS) käme auch der Industrie zugute, da sie damit "einen rechtlich verbindlichen Auftraggeber" erhalte. Zudem seien alle Beteiligten mit der Anstalt besser in der Lage, "kurzfristig Entscheidungen über technische Neuentwicklungen zu treffen". Es sei aber wichtig, die Einbindung der Länder "über entsprechende Organe sicherzustellen". Der Landespolizeidirektor Wolfgang Pistol aus dem Innenministerium Schleswig-Holsteins sieht das Gesetz ebenfalls geeignet, ein wichtiges Instrument zur beschleunigten Einführung des Digitalfunks zu schaffen. Es gäbe dann "eine zentrale staatliche Stelle, die für Ausschreibungen zuständig ist." Eine "gewisse Gefahr" ist laut Pistol zudem "in Verzug", da für die Analogtechnik zum Teil kaum noch Ersatzteile zu bekommen seien und eine weitere analoge Zwischenlösung "völlig inakzeptabel ist".
In Hessen sieht man die Sache anders. Staatssekretär Harald Lemke kritisierte scharf das "unakzeptable Vorgehen des Bundes." Bundesinnenminister Otto Schily hätte die gemeinsame Dachvereinbarung mit den Ländern bereits mit der Strategie, zunächst ein "Rumpfnetz" zu etablieren, verlassen. Die Innenministerkonferenz der Länder habe zwar die grundsätzliche Bereitschaft erklärt, das Vorgehen zu stützen. Doch noch sei die geforderte Klärung des Zusammenspiels zwischen beiden Seiten sowie der Kosten nicht erfolgt. Lemkes Schlussfolgerung: "Wir befinden uns mit diesem Projekt in einem rechtlich frei schwebenden Zustand." Bevor eine Bundesanstalt für den Aufbau und Betrieb eines konkreten Netzes ins Leben gerufen werden könne, sei erst ein Betreibervertrag in Eckpunkten sowie ein Verwaltungsabkommen mit den Ländern erforderlich. Ferner sorgte sich der Staatssekretär darum, wer künftig die Standards in dem "größten IT-Projekt für die Landespolizeien" setze. Es könne nicht angehen, dass "der Betreiber definiert, was er alles braucht, und wir können das dann alles zahlen."
Ebenfalls für verfrüht hält Norbert Hauser vom Bundesrechnungshof den Zeitpunkt für die Errichtung der Anstalt. Er sieht die Gefahr, dass über die Länder doch wieder Sand ins Getriebe kommt. Zudem erinnerte er daran, dass im Bundeshaushalt 2005 "kein Euro" für die Anstalt eingestellt sei, die jährliche Betriebskosten von drei Milliarden Euro verursachen soll. Falk Peters von der "European Society for eGovernment" (ESG) bezeichnete den Entwurf ferner als "typischen Akt von Ratlosigkeit". Angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft bereits in den vergangenen fünf Jahren "80 bis 90 Millionen Euro Kosten" in die Vorbereitungen des Projekts gesteckt habe und nun allein eine neue Behörde vorerst dabei herauskomme, werde deren Ruf "von Anfang an schlecht sein". Besser wäre es, die Ausschreibung endlich auf den Weg zu bringen, was eine "eigene Abteilung im Bundesinnenministerium stemmen" könnte.
Der Passauer Öffentlichkeitsrechtler Dirk Heckmann bezeichnete den Entwurf gar als "Rumpfgesetz passend zum Rumpfnetz" mit gravierenden Fehlern. So sei geplant, die Bestellungsverfahren für den Präsidenten und den Verwaltungsrat erst später zu regeln. Ohne die entsprechende Satzung könnten diese aber nicht berufen werden. Formal-juristisch hätte der Bund zudem die Gesetzgebungskompetenz, da Telekommunikationsrecht und bundespolizeiliche Angaben berührt würden. Materiell gehe es aber um die innere Sicherheit, wofür die Länder zuständig sind. Deren Interessen müssten daher stärker mit eingebracht werden.
Heckmann sah es zudem als möglich an, dass der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss. Davon geht die Bundesregierung bislang nicht aus. Der rot-grüne Entwurf soll vielmehr im Eilverfahren schon am Donnerstag in den abschließenden Lesungen beschlossen werden. Stellt sich die Länderkammer danach quer, müsste ein Vermittlungsverfahren einberufen werden. Ob sich vor eventuellen Neuwahlen darauf hin noch eine "Kanzlermehrheit" für das Gesetz finden ließe, erscheint zweifelhaft.
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/61118
Beckstein: Digitalfunk bis zur WM 2006 nicht einsatzfähig
Beckstein: Digitalfunk bis zur WM 2006 nicht einsatzfähig
In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt schließt der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) für den Fall eines Regierungswechsels im Bund ausdrücklich aus, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 die neue Digitalfunktechnik einzusetzen. Im April hatte das von Otto Schily (SPD) geführte Bundesinnenministerien einen Teilnahmewettbewerb für die Beschaffung der Systemtechnik für den Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) gestartet. Nach dem Willen von Schily sollte den BOS ein Rumpfnetz bis zur Fußball-WM an den Veranstaltungsorten zur Verfügung stehen.
Diesen Plan hatte auch die -- im Mai abgewählte -- rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterstützt. Beckstein hatte schon damals vor einem überstürztem Start des BOS-Digitalfunks gewarnt. Bedingt durch die Dominanz unionsregierter Länder im Bundesrat bleibt der Fahrplan zum digitalen Behördenfunk weiter offen, angesichts der angestrebten Neuwahlen zum Bundestag ist außerdem zweifelhaft, ob die Pläne der amtierenden Bundesregierung, eine Bundesanstalt für Digitalfunk einzurichten, noch im Sinne Schilys umgesetzt werden.
Im Interview mit der Welt gibt Beckstein, der als Nachfolger Schilys als Bundesinnenminister nach einem eventuellen Regierungswechsel gehandelt wird, Schily die Schuld daran, dass der als abhörsicher geltende Digitalfunk in Deutschland deutlich später aufgebaut werden könne als in den Nachbarstaaten. Schily habe die Verzögerung zu verantworten, weil er sich mit den Bundesländern nicht über die Finanzierung habe einigen können. Nun wolle Schily "in einer Art Torschlusspanik" zwar den Digitalfunk in den Stadienbereichen einsetzen. Die Quartiere der WM-Mannschaften solle die Polizei aber weiterhin mit dem alten Analogfunk schützen. Dieser Mix würde nach Becksteins Auffassung zu Sicherheitsproblemen führen: "Der Digitalfunk kann erst verwendet werden, wenn das System ordentlich erprobt wurde", resümiert Beckstein. Der Artikel Digitalfunk-Netze unter Spitzenlast auf heise mobil fasst Erfahrungen europäischer BOS mit dem Einsatz von Digitalfunknetzen im TETRA-Standard bei Großereignissen zusammen.
Mit Blick auf das Verhältnis zwischen den Länderpolizeien und den Schily unterstehenden Insitutionen und Bundesgrenzschutz (BGS) und Bundeskriminalamt wirft Beckstein seinem Berliner Amtskollegen "Rambo-Mentalität" vor. Schily stelle den BGS, der Anfang Juli in "Bundespolizei" umbenannt worden ist, als die eigentlich richtige Polizei und die Landeskriminalämter als "Dorfpolizisten" dar. Damit habe er einer vertrauensvollen Zusammenarbeit schwer geschadet. Schilys "Zentralisierungswahn" sei falsch, warnt Beckstein. Bei umstrittenen Sicherheitsthemen wie etwa dem Großen Lauschangriff liegen Schily und sein potenzieller Nachfolger nicht weit auseinander. Doch beklagen nach Informationen von heise online zahlreiche Teilnehmer der regelmäßig stattfindenden Konferenzen der Innenminister des Bundes und der Länder (IMK), dass Schily mit seinem Umgangston das Klima in der IMK -- über Parteigrenzen hinweg -- nachhaltig vergiftet habe. In politischen Kreisen gilt der bald 73-Jährige als weitgehend "beratungsresistent"
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/61440
Digitaler Behördenfunk startet 2007 in Niederösterreich
Digitaler Behördenfunk startet 2007 in Niederösterreich
Sicherheitskräfte im Bundesland Niederösterreich sollen ab 2007 gemeinsam ein Digitalfunknetz im Tetra-Standard nutzen -- dies sieht eine heute von dem zuständigen Landesrat Josef Plank und der österreichischen Bundesinnenministerin Liese Prokop (beide ÖVP) unterzeichnete Vereinbarung vor. Die Errichtung von 230 Sendestandorten in Niederösterreich kostet laut Landesregierung Niederösterreich rund 10 Millionen Euro, wovon das Land lediglich 20 Prozent trägt -- die übrigen 80 Prozent gehen zu Lasten des Bundeshaushalts. Für ganz Österreich sind für den Aufbau der Netzinfrastruktur 133 Millionen Euro projektiert. Das neue Blaulichtfunknetz soll laut einer Meldung des ORF insgesamt neun bis elf Millionen Euro kosten. Die jährlichen Betriebskosten werden der Rundfunkanstalt zufolge auf 300.000 bis 400.000 Euro geschätzt.
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In Österreich wird der Behördenfunk allgemeinverständlich als "Blaulichtfunk" apostrophiert, Fachleute bevorzugen die sperrige Abkürzung BOS für "Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaugaben". Interessant erscheint aus deutscher Sicht, dass NÖ zum Kreis der Nutzer des neuen BOS-Netzes über Polizei, Feuerwehr, Rotes Kreuz und weitere Rettungsorganisationen auch das Bundesheer -- mithin die Armee -- zählt. Nach Auskünften der niederösterreichischen Landesregierung soll etwa im Fall eines Hochwassers sichergestellt sein, dass alle Helfer unabhängig von der Organisationszugehörigkeit dasselbe für die BOS reservierte Netz nutzen. Im Katastrophenfall sollen alle behördlichen Fachabteilungen mitfunken, deren Mitwirkung im Katastrophenschutz unerlässlich ist -- dazu zählen die Katastrophenschutzabteilungen der Bezirkshauptmannschaften und der niederösterreichischen Landesregierung, der niederösterreichische Straßendienst und die Energieversorger.
Damit fassen die Österreicher den Nutzerkreis ähnlich weit wie die Finnen in ihrem VIRVE-Netz, das inzwischen landesweit ausgebaut und zum Beispiel auch von Geldtransportfirmen, die für die Staatsbank unterwegs sind, genutzt wird. Dank der relativ hohen Nutzerzahl und des Betreibermodells ist es in Finnland gelungen, die Kosten für Aufbau und Betrieb eines eigenständigen BOS-Netzes in einem für die öffentlichen Haushalte vertretbaren Rahmen zu halten.
Umgesetzt wird das Projekt in Niederösterreich von einem Konsortium der Unternehmen Motorola und Alcatel. Laut der heute von der niederösterreichischen Landesregierung verbreiteten Mitteilung ist für die Realisierung die Einbindung aller Bundesländer "vorgesehen". Die vorsichtige Formulierung ist auf das Scheitern des ersten österreichischen Versuchs zurückzuführen, unter dem Namen Adonis ein BOS-Netz einzuführen. Mit Vorschusslorbeeren wie "Tetra-Netz des Jahres" versehen, scheiterte das Projekt im Juni 2003. Als Gründe für den Misserfolg lassen sich zum einen Abstimmungsfehler zwischen den beauftragtgten Unternehmen identifizieren, zum anderen scheiterte Adonis an einem strukturell falschen Kostenmodell: Da sich weniger Nutzer als geplant für die Teilnahme am Digitalnetz entschieden, schossen die laufenden Kosten für die übrigen Nutzer in die Höhe.
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/61795