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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fotografierverbot bei polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig



Bendix_4123Reloaded
02.05.2012, 17:16
Am 28.03.2012 urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass ein durch den Einsatzleiter eines Sondereinsatzkommandos ausgesprochenes Fotografierverbot bei polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig ist (BVerwG 6 C 12.11).

Bei einem Einsatz des SEK wurden diese und deren Fahrzeuge durch einen zufällig anwesenden Journalisten fotografiert.
Der Einsatzleiter untersagte die Fertigung von Lichtbildaufnahmen mit der Begründung, dass bei Veröffentlichung der Bilder die Beamten aufgrund der Enttarnung nicht mehr eingestzt werden können und die persönliche Sicherheit der Beamten gefährdet sei.

Das Urteil bezieht sich zwar unmittelbar auf ein von der Polizei gegen Pressemitarbeiter ausgesprochenes Fotografierverbot, es trifft aber eine Feststellung von wesentlich weiter gehender Bedeutung. Diese betrifft den Bereich des Kunsturhebergesetzes und das Ablichten von Polizeieinsätzen im Allgemeinen - egal durch wen: Ein Polizeieinsatz ist ein "zeit*geschicht*liches Ereignis" im Sinne des § 23 KUG.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.3 2012:

"Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute (am 28.3.2012, Anm.) entschieden, dass ein von der Polizei gegenüber Mitarbeitern einer Zeitung ausgesprochenes Verbot rechtswidrig war, Polizeibeamte des Spezialeinsatzkommandos während eines Einsatzes zu fotografieren.

Beamte des Spezialeinsatzkommandos der Polizei waren beauftragt, den der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef einer russischen Gruppierung organisierter Kriminalität aus der Untersuchungshaft bei einer Augenarztpraxis in der Schwäbisch Haller Fußgängerzone vorzuführen. Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter einem Fotoreporter, bemerkt. Nachdem dieser sich anschickte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen, forderte der Einsatzleiter ihn auf, das Fotografieren zu unterlassen. Der Journalist unterließ es daraufhin, Bilder anzufertigen. Die Polizei rechtfertigte das Verbot unter anderem damit: Die eingesetzten Beamten des Spezialeinsatzkommandos hätten durch die Veröffentlichung der angefertigten Fotografien in der Zeitung der Klägerin enttarnt werden können. Dadurch hätte ihre künftige Einsetzbarkeit im Spezialeinsatzkommando beeinträchtigt und sie selbst hätten persönlich durch Racheakte gefährdet werden können.

Zunächst wies das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klage des Zeitungsverlags ab, für den die Journalisten tätig sind. Auf die Berufung des Verlags stellte dann der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest, dass das Vorgehen des Einsatzleiters rechtswidrig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei unter anderem angenommen: Die Gefahr einer unzulässigen Veröffentlichung der angefertigten Fotografien habe nicht bestanden, weil mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte von einer Vermutung rechtstreuen Verhaltens der Presse und damit davon auszugehen sei, dass sie keine Porträtaufnahmen der eingesetzten Beamten und im Übrigen nur Fotografien veröffentlichen werde, auf denen die Beamten insbesondere durch Verpixelung ihrer Gesichter unkenntlich gemacht seien.

Gegen dieses Urteil legte das Land Baden-Württemberg Berufung ein, die das Bundes*verwaltungs*gericht nun aber zurückgewiesen hat. Die Polizei durfte nicht schon das Anfertigen der Fotografien untersagen. Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Verbots der Anfertigung von Fotografien, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen.

Eine solche Lage war hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gegeben."
BVerwG 6 C 12.11, Bundesverwaltungsgericht, 28.3 2012

Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat die Revision des beklagten Landes zurückgewiesen.

Für alle Nicht-Juristen:

http://www.juraexamen.info/fotografierverbot-von-sek-polizeibeamten-rechtswidrig-bverwg-urteil-vom-28-03-2012-6-c-12-11/

Angriffstrupp
02.05.2012, 17:35
Sollte das denn dann auch für jeden anderen Einsatz auch gelten?

Bendix_4123Reloaded
02.05.2012, 17:39
ich würde jetzt mal pauschal ja sagen. Es ist ja ausführlich dargelegt.
Vielleicht mal ein denkanstoß zu einem anderen Verfahren:

http://anwaltskanzlei-adam.de/index.php?id=106,758,0,0,1,0

alarma
02.05.2012, 18:03
Im großen und ganzen keine neue Erkentnis, oder?

Niemand darf irgendwen vom fotografieren abhalten, es sei denn das das Fotografieren selbst negativen Einfluss auf das Geschehen nehmen würde.
+ fotoverbot bei Explosionsgefahr zulässig
- fotoverbot bei bildern für spätere verwendung und bearbeitung unzulässig
o fotoverbot für _direkt_ online gehende bilder ohne bearbeitung je nach Lage fraglich

war immer so, wird auch immer so sein.

Und ein freundliches _miteinander_ hilft vor Ort sowie in Zukunft eine entspanntes aufeinandertreffen auch in zukunft.

Also alles wie immer, aber jetzt noch mal neu belegt.
Danke für den Text (ernst gemeint)

jumbo
02.05.2012, 18:26
Was sit denn an meinem eigenen Recht am Bild? Soweit ich informiert bin, darf doch ein Foto auf dem ich zu sehen bin nicht veröffentlicht werden, wenn ich das Untersage? Gebe ich das denn im Einsatz ab?

Bendix_4123Reloaded
02.05.2012, 18:44
Die Frage beantwortet sich von selbst, wenn Du das Urteil liest bzw. den Link. Das Gericht hat ausführlich zum Thema "Recht am eigenem Bild" Stellung genommen. Die Formulierung "Polizeibeamter" kann freilich auch durch "Feuerwehr" oder Rettungsdienst ersetzt werden.

Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und schützt den Einzelnen vor der unbefugten Verbreitung von Bildnissen.

Es wird jedoch nicht uneingeschränkt gewährleistet. Durch das KUG wird versucht, einen Ausgleich zwischen dem Achtungsanspruch der Persönlichkeit und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen.

Sofern keiner der Ausnahmetatbestände der §§ 23, 24 KUG erfüllt ist, setzt die Verbreitung und Zurschaustellung von Bildnissen die Einwilligung des Abgebildeten voraus. Für den Polizeibeamten kommen insbesondere die Ausnahmetatbestände Nr.1 und Nr.3 des § 23 I KUG in Betracht.

Nach § 23 I Nr.1 KUG dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne Einwilligung des Abgebildeten verbreitet und zur Schau gestellt werden. Ist ein Polizeieinsatz mit einem vom öffentlichen Interesse außergewöhnlichen Ereignis verknüpft, können auch Polizisten Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses und damit relative Personen der Zeitgeschichte sein.

Ein alltäglicher Einsatz macht den Polizeibeamten hingegen noch nicht zu einer relativen Person der Zeitgeschichte.Hierbei muss man FIngerspitzengefühl zeigen, weil auch ein alltäglicher Einsatz kann zur großen Sache werden.

Nach § 23 I Nr.3 KUG dürfen Bilder ohne Einwilligung des Betroffenen veröffentlicht werden von Versammlungen, Aufzügen, und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben. Dabei umfasst die Abbildungsfreiheit einer Versammlung nicht nur die eigentliche Versammlung selbst, sondern auch den Rahmen, in dem sie stattfindet und die Wirkung die sie dort erzeugt.

Deshalb ist auch die Abbildung von Polizisten, die solch eine Veranstaltung begleiten zulässig.Nach § 23 II KUG findet wiederum die Abbildungsfreiheit des § 23 I KUG ihre Grenze bei der Veröffentlichung von Aufnahmen, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. So kann es für Polizeibeamten unter Umständen geboten sein, ihre Anonymität zu Ermittlungszwecken zu wahren oder Zeugen zu schützen.

Zu beachten ist jedoch, dass das Fotografieren von Polizisten ohne Einwilligung weder strafbar noch verboten ist. Das KUG erfasst lediglich die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen. Dennoch kann auch das Fotografieren an sich eine Sicherstellung als Reaktion der Beamten rechtfertigen, wenn konkrete Anhaltspunkte auf eine rechtswidrige Verbreitung der Aufnahmen hinweisen. Hierzu hat das Gericht im vorliegendem Fall ausführlich Stellung bezogen und gesagt, das ein Generalverdacht nicht zulässig ist.

Nicht erlaubt ist aber das Veröffentlichen ohne vorher eingeholte Erlaubnis von Portraitaufnahmen von Versammlungs- oder VeranstaltungsteilnehmerInnen, begleitenden PolizistInnen oder Umstehenden, denn bei Nahaufnahmen billigt §22 KunstUrhG ein Recht am eigenen Bild auch bei öffentlichen Ereignissen zu.
Das Veröffentlichen von Aufnahmen ist dabei von deren Anfertigung zu unterscheiden. Allerdings wird seitens der Polizei i.d.R. von einer Veröffentlichungsabsicht ausgegangen und somit dagegen vorgegangen - auch wenn diese Annahme rechtlich fragwürdig ist.

Deshalb empfiehlt es sich nicht, Nahaufnahmen von PolizistInnen zu machen, sondern diese immer im Bezug zur Versammlung abzubilden. Wenn also ein Foto eine begleitende Polizeikette neben einer Demo in Weitwinkelansicht zeigt, so ist dies zulässig. Ebenso, wenn eine Filmsequenz das Auftreten einer Gruppe von BeamtInnen und deren Wirkung auf die Versammlungs*teilnehmerInnen dokumentiert.
Das beweisfeste Ablichten einer von PolizistInnen begangenen Strafttat und zugehöriger TäterIn sind rechtlich ein anderer Fall und dienen der Verfolgung der begangenen Straftat.

Oftmals wird die Aussage "Recht am eigenem Bild" als Returkutsche des Beamten am E-Ort genommen, um einem Fotografen zu ärgern und ihm die Arbeit zu vermiesen, wenn wir mal ehrlich sind.

Speziell mit dem Status von Pressefotografen bei Polizeieinsätzen setzt sich das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 19.08.2010 auseinander. Hier wird festgestellt, dass bei PressefotografInnen grundsätzlich von deren Rechtstreue auszugehen ist, solange sich ebendiese PressevertreterInnen bzw. das Presseunternehmen, in dessen Auftrag sie arbeiten, keine vorherigen konkreten Rechtsverstöße gegen die einschlägigen Regelungen (hier insbesondere KUG) haben zuschulden kommen lassen. Aus diesem Grund ist ein pauschales Fotografierverbot durch die Polizei rechtswidrig. Zitat aus dem Urteil, Entscheidungsgründe II. 3. d): "Zwar muss bei einem Pressefotografen grundsätzlich damit gerechnet werden, dass dessen Aufnahmen auch veröffentlicht werden. Es darf aber nicht von vornherein und ohne weitere Anhaltspunkte zukünftiges rechtswidriges Verhalten unterstellt werden. Vielmehr muss im Hinblick auf die zivil- und strafrechtlichen Sanktionen einer unrechtmäßigen Veröffentlichung grundsätzlich von der Rechtstreue des Fotografen ausgegangen werden ..."

In jenen seltenen Fällen, in denen bei einer Veröffentlichung von Fotografien eine Gefährdung von Gesundheit oder Leben von PolizistInnen oder deren Angehörigen oder eine Gefährdung der Einsatzfähigkeit der Polizeieinsatzgruppe nicht ausgeschlossen werden kann, kann die Polizei eine Unkenntlichmachung der BeamtInnen verlangen. Um dies sicherzustellen, kann sie eine gemeinsame Sichtung des Fotomaterials und nötigenfalls auch eine kurzzeitige Beschlagnahme der Speichermedien anordnen. Diese wären jedoch noch am selben Tag im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung des Bildmaterials wieder auszuhändigen. Unter Umständen kann die Polizei hierbei die Löschung von Fotos verlangen. Keinesfalls kommt aber eine Beschlagnahme der Kamera in Frage.

Wichtig ist dabei immer: Verhältnismäßigkeit prüfen und überlegen, ob es nicht einfacher ist, die Fotos machen zu lassen und drauf zu "schei..." was die Presse macht.

Meine persönliche Meinung ist, das wenn es einen stört, das er an der Einsatzstelle evtl. fotografiert werden kann, dann möge er sich einen anderen Beruf suchen...