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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Definition: "Bedeutende Sachwerte"?



TropicOrange
07.10.2009, 12:30
Hallo miteinander!

Mich würde mal interessieren, wie in Gesetz und Vorschrift der Begriff "bedeutender Sachwert" definiert ist.

Das hat den Hintergrund, dass man als Hilfsorganisation wie Feuerwehr nach §38 StVO Einsatzfahrten mit Sondersignal zu fahren hat, wenn zum Beispiel bedeutende Sachwerte zu erhalten sind. Nun...was ist ein bedeutender Sachwert?


Sind Möbel und Wohngebäude ein bedeutender Sachwert? (Mögliches Einsatzstichwort: "Keller unter Wasser")

Sind Fahrzeuge besondere Sachwerte? (Einsatzstichwort: "Fahrzeugbrand - keine Menschenleben in Gefahr")

Der Achtundvierziger
07.10.2009, 12:34
Wie genau es definiert ist, weis ich nicht.

Als Beispiel würde mir das eingestürzte Stadtarchiv einfallen, oder Dokumente und Urkunden einer Stadt, die schon 100 Jahre alt sind.



lg

TropicOrange
07.10.2009, 12:38
Wie genau es definiert ist, weis ich nicht.

Als Beispiel würde mir das eingestürzte Stadtarchiv einfallen, oder Dokumente und Urkunden einer Stadt, die schon 100 Jahre alt sind.



lg


ja, das sind zweifelsohne bedeutende Sachwerte. Aber bei einer solchen Großschadenslage kommen ja noch andere Parameter zum Tragen, die den Gebrauch von SoSi vorschreiben, wie "Menschenleben in Gefahr" oder die "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung".

überhose
07.10.2009, 13:42
Das hat den Hintergrund, dass man als Hilfsorganisation wie Feuerwehr nach §38 StVO Einsatzfahrten mit Sondersignal zu fahren hat, wenn zum Beispiel bedeutende Sachwerte zu erhalten sind.Sie "hat" nicht, sie "kann".

Ich glaube nicht, dass du eine eindeutige Definition des Begriffs "bedeutender Sachwert" finden wirst. Es ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, und das ist in dem Fall auch gar nicht anders möglich. Denn es geht ja um Sachwerte, die "zu erhalten sind" - und weiß eine Feuerwehr auf der Anfahrt, welcher Sachwert noch zu erhalten ist, und welcher schon verloren?
Wie gut kann die Feuerwehr Sachwerte überhaupt einschätzen, selbst wenn sie davor steht und alle Zeit der Welt zur Erkundung hat?
Da man den Sachwert an sich schon nicht definieren kann, kann man auch keine klare Grenze ziehen, wann er eine "Bedeutung" hat.

nederrijner
07.10.2009, 14:07
Das Kriterium ist ja nicht, dass bedeutende Sachwerte zu erhalten sind, sondern dass höchste Eile geboten sein muss, um dies zu tun.
Das bedeutet, dass der Schaden erheblich größer werden müsste, wenn wir nicht mit SoSi anfahren.

Beim Wasser im Keller ist der Schaden eingetreten, da macht es nichts, ob wir zwei Minuten früher oder später ankommen. Beim PKW-Brand ist in der Regel auch davon auszugehen, dass nichts mehr zu retten ist.

Vorstellbar ist hingegen der Fall, dass eine nicht unwesentliche Ausbreitung droht, die den Schaden beträchtlich vergrößern würde. Da man das alles vorher nicht wissen kann, würde ich das zwar gerade bei Brandeinsätzen großzügig (aber in einem realistischen Rahmen!) auslegen, aber nicht auf Teufel komm raus jeden Bagatelleinsatz mit der Begründung "Erhaltung bedeutender Sachwerte" mit SoSi fahren wollen.

Hier muss ich auch überhoses Ansicht widersprechen, nur weil wir auf der Anfahrt nicht wissen, ob bedeutende Sachwerte gefährdet sind, kann man das nicht pauschal ausschließen. Bei der Rettung von Menschenleben gilt nämlich das Gleiche, auch da wissen wir in der Regel nicht genau, ob wirklich Menschen gefährdet sind, aber wir gehen aufgrund unserer Erfahrungen ggf. davon aus.

überhose
07.10.2009, 14:15
Hier muss ich auch überhoses Ansicht widersprechen, nur weil wir auf der Anfahrt nicht wissen, ob bedeutende Sachwerte gefährdet sind, kann man das nicht pauschal ausschließen.Wo hat Überhose das denn geschrieben?

rundhauber
07.10.2009, 14:22
... Beim Wasser im Keller ist der Schaden eingetreten, da macht es nichts, ob wir zwei Minuten früher oder später ankommen. ...

So pauschal auch nicht ganz richtig. Es hat schon Fälle gegeben, wo ein rechtzeitiges Erscheinen der FW sehr wohl ausschlaggebend in Bezug auf die Schadenshöhe war.

Mancherorts wird die Entscheidung hinsichtlich Sondersignalen vereinfacht, indem die Leitstelle bereits im DME-Meldertext und auf dem Einsatzfax deren Benutzung freigibt. Ob dann letztendlich von SoSi Gebrauch gemacht wird (wie z.B. bei Keller unter Wasser), entscheidet dann der Fahrzeugführer.

WAF-18-83-1
07.10.2009, 15:42
Ich kenne eine Feuerwehr, die fahren auch zu einer "Ölspur nach VU" mit Sosi.
Begründung:

"Es ist ein Schadensfall nach FSHG, sonst wäre die FW nicht alarmiert und somit ist Eile geboten."


"Meine" Feuerwehr fährt nicht alles mit Sosi aber weiter oben wurde mal "F_PKW" genannt.
Das fahren wir durchaus mit Sosi an....

jumbo
07.10.2009, 17:32
Uns hat man mal während der Maschinistenausbildung, und der Fahrerbelehrung gesagt, das man bei einer Vernehmung nach einem Unfall, oder als Tathergangszeuge, sagen sollte, das man davon ausgegangen sei, dass der Sachwerte über dem Wert von 8000€ gelegen hat.

Bei Werten bis 5000€ geht man von einem Minderwert(reine Ansichtssache) aus, bei dem es sich nicht lohnen würde, den eigenen Hals, oder das Leben anderer zu riskieren. Allerdings kann man das ja nun nicht anhand eines Alarmierungstextes den Wert schätzen, also wird volle Pulle gemacht!

Bei Werte von 5000€-8000€ ist es dann Ermessenssache des Richters/Staatsanwalts ob es es als gerechtfertigt ansieht, ob es In Ordnung ist, das du mit Sosi, nen Auto-Spiegel abgefahren, oder ein PKW zum Bremsen genötigt hast.(ist jetzt nur ein Beispiel)

Ab 8000€ wird meist nicht mehr nach gefragt, es sei denn es ist Personenschaden entstanden.

Aber wie beurteilt man denn den Wert eines Gegenstandes!?
Mein Anwalt hat mir das mal so erklärt:
Die Standuhr, meiner Oma, hat damals 500 € gekostet. Ist nun für mich aber,aus Familiären, und moralischen Gründen 5000 € wert. Wer soll das denn, anhand eines Häufchens Asche entscheiden können? Also wird man sich meist auf den Mittelwert, oder etwas weniger einigen.

Und wenn mein Melder mir sagt: Feuerwehr Einsatz dringend, seh ich ja nun"leider" nicht, was da los ist, also machste volle Pulle,und bekommst auch noch recht!

Shinzon
07.10.2009, 19:02
Moin..

Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon aus "eigenem Antrieb", wenn ein Diebstahl im
Wert von ca 300 EUR gemeldet wird. Dies zählt also offenbar schon als bedeutender
Sachwert.

Gruss,
Tim

PS: Es ging um einen Laptop, der mir auf einem umschlossenen und durch Zugangs-
kontrollen gesicherten BF-Gelände gestohlen wurde, als ich im Einsatz war. Fazit: Traue
keinem Kameraden.

Der Namenlose
07.10.2009, 20:50
Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon aus "eigenem Antrieb", wenn ein Diebstahl im
Wert von ca 300 EUR gemeldet wird. Dies zählt also offenbar schon als bedeutender
Sachwert.

Die StA ermittelt immer dann, wenn ein Anfangsverdacht vorliegt, §§152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO. Sollte sich im Falle eines Diebstahls bei den Ermittlungen herausstellen, dass der Schaden geringfügig ist, §248a StGB, so wird das Ermittlungsverfahren eingestellt, wenn kein Strafantrag vorliegt.

Als Geringfügigkeitsgrenze zieht die Rechtsprechung seit etwa 2004 einen Verkehrswert der gestohlenen Sache von etwa 30 EUR heran, in neueren Entscheidungen ist die Geringfügigkeitsgrenze auch teilweise schon auf 50 EUR heraufgesetzt worden.

Was ich damit sagen will ist, dass das genannte Beispiel in concreto leider nur wenig taugt, zumal die Zielsetzungen bei Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Eigentumsdelikten zu unterschiedlich sind.

Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage 2008, kommentiert leider den Aspekt der bedeutenden Sachwerte weder bei §38 noch bei §35 StVO.

Interessant ist aber eine Entscheidung des BGH vom 29.4.2008, 4 StR 617/07. Hier hat der BGH Stellung bezogen zu den Voraussetzungen der Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert im Sinne des §315b Abs. 1 StGB (bzw. §315c Abs. 1 StGB). Diese Norm ist eher einem Vergleich zum feuerwehrrelevanten Gefahrenabwehr- bzw. Straßenverkehrsrecht zugänglich, da hier gemeingefährliches Verhalten unter Strafe gestellt wird.

Die Grenze zieht der BGH dort bei einem Verkehrswert von 750 EUR. Ob das BVerwG sich dem anschließen würde, muss natürlich offen bleiben.

überhose
07.10.2009, 21:42
Uns hat man mal während der Maschinistenausbildung, und der Fahrerbelehrung gesagt, das man bei einer Vernehmung nach einem Unfall, oder als Tathergangszeuge, sagen sollte, das man davon ausgegangen sei, dass der Sachwerte über dem Wert von 8000€ gelegen hat.Wer hat das so gesagt?


Und wenn mein Melder mir sagt: Feuerwehr Einsatz dringend, seh ich ja nun"leider" nicht, was da los ist, also machste volle Pulle,und bekommst auch noch recht!Für volle Pulle wurden langsam schon genug Leute beerdigt, daher halte ich von derartigen Ansichten nicht viel und habe manchmal den Gedanken, man (= Feuerwehr) würde besser damit leben, wenn man bei der ein oder anderen Sache weniger Recht bekommen würde.

ahk
09.10.2009, 15:35
das du mit Sosi, nen Auto-Spiegel abgefahren, oder ein PKW zum Bremsen genötigt hast.(ist jetzt nur ein Beispiel)

Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Es macht keinen Unterschied, ob Du den Spiegel mit Sondersignal oder ohne abgefahren hast.
Ich habe den Eindruck, als ob einige denken, Sondersignal bedeutet 'schnell fahren'. Im Gegenteil, mit Sondersignal sollte man eher noch vorsichtiger und langsamer fahren, insbesondere bei Inanspruchnahme des Wegerechtes.

Auch mit SoSi handelt es sich bei den meisten LFs um einen Lkw mit 12-18 Tonnen Gesamtgewicht, die Physik ist hier nicht zu unterschätzen.
Und nur weil wir öfter mal ein Polizeiauto mit Martinshorn an uns vorbeiheizen sehen, heisst das nicht, das wir als Feuerwehr dies auch machen müssen.

Also: Egal ob Sachwerte oder nicht, ob mit oder ohne Sondersignal, man sollte immer mit der gleichen, sicheren Geschwindigkeit unterwegs sein.
Der unterschied 'mit' ist lediglich, dass man an roten Ampeln nicht stehen bleiben muss, langsamere oder eigentlich vorfahrtsberechtigte Fahrzeuge Platz machen müssen. Es ist aber nie garantiert, dass sie dies auch wirklich tun.

Gruß,
ahk