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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abweichung von UVV zur Menschenrettung (§ 17) - neuer Interpretationsansatz?



überhose
27.05.2008, 09:17
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axeme
27.05.2008, 09:26
Ein schlüssiger Ansatz, so sehe ich das auch.

Wobei der vermeintliche "Freifahrtsschein" nach UVV ja so oder so durch die Dienstvorschriften zum größten Teil (zum Glück) wieder ausgehebelt wird.

nederrijner
27.05.2008, 10:55
Demnach sind diese UVV quasi "innere" Verhaltensgrundsätze und entfalten keine Außenwirkung. Dies hätte für den oben genannten Freifahrtschein folgende Konsequenz: Der Begriff "Menschenrettung" kann nicht die Rettung Dritter (also das Alltagsgeschäft) bedeuten, sondern der Satz kann nur zum Tragen kommen, wenn es im Rahmen von Eigenunfällen darum geht, das Leben anderer Feuerwehrangehöriger zu retten. Für die "normale" Menschenrettung haben die UVV's damit weiterhin Bestand, was auch dadurch ausgedrückt wird, das sich der § 17 I explizit auf den "Einzelfall" bezieht.
Das ist m. E. nicht richtig und ergibt sich nicht aus dem einen Wort "Einzelfall". Ein Einzelfall kann auch eine besondere Situation der Menschenrettung sein ohne gleich auf die Kameradenrettung zu gehen. Gleichzeitig sind auch bei den Einzelfällen der Kameradenrettung grundsätzlich die Bestimmungen der UVV einzuhalten.

Die Logik, die UVV habe nur eine Wirkung innerhalb der Feuerwehr und nicht nach Außen, also bei Einsätzen mit Beteiligung Dritter, würde dann konsequent weitergedacht bedeuten, dass sobald es um die Rettung von Nicht-FA geht, die UVV gar nicht gilt (weil die wirkt ja nur nach innen). Das kann es irgendwie nicht sein.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man auf diese Argumentation kommt und kann sie aus dem Text der UVV auch kein bißchen herauslesen. Die Argumentation erinnert prinzipiell mich an die berüchtigte Verteilergrenze. Da wird aus einzelnen Satzteilen viel mehr herausgelesen als drinsteht.
Eventuell mal beim zuständigen UVT anrufen und fragen, ob die das auch so sehen.


Er passt auch, besser als ein allgemeiner Freifahrtschein, in die weitere Vorschriftslandschaft, die den Eigenschutz der Einsatzkräfte in den Vordergrund stellt.
Das sehe ich anders, der Eigenschutz ist nicht das allerletzte Maß. Dafür sind wir Feuerwehr, da muss man sich auch mal in Gefahr bringen (sonst wäre ein Innenangriff regelmäßig tabu). Wichtig im Sinne des Eigenschutzes ist aber, dass die Maßnahmen nicht aussichtslos sind, die Gefährdung in einem vernünftigen Verhältnis zu dem zu Rettenden steht und alle erforderlichen und möglichen Maßnahmen getroffen werden, um das Ausmaß der Gefährdung zu reduzieren. Trotzdem bleibt immer ein Restgefährdung. Und die darf auch im Sinne der UVV bei der Rettung von Menschenleben nunmal größer sein als bei der reinen Brandbekämpfung.
Der Satz steht in der UVV ja nicht alleine, sondern folgt dem Satz "(1) Im Feuerwehrdienst dürfen nur Maßnahmen getroffen werden, die ein sicheres Tätigwerden der Feuerwehrangehörigen ermöglichen." grundsätzlich dürfen im Feuerwehrdienst also nur sichere Maßnahmen getroffen werden, bei der Rettung von Menschenleben (und da sind FA nicht besser als andere Menschen) darf hingegen auch eine Eigengefährdung in Kauf genommen werden.


Dies würde ja, da die Menschenrettung als alltägliche Aufgabe der Feuerwehr dort dem Eigenschutz gegenüber nachrangig betrachtet, maximal gleichgestellt wird, einen ziemlichen Widerspruch bedeuten.
Die Herausgeber der UVV haben erkannt, dass die Menschenrettung nunmal höherrangig ist als der reine Sachwert- und Umweltschutz. Daher lohnt es u. U. auch, da mal ein höheres Risiko einzugehen. Denn es kann nicht sein, dass Menschen, die prinzipiell zu retten wären, sterben, weil die Feuerwehr aber nunmal leider nur vier Steckleiterteile einsetzen darf (vgl. den Fall in den 80ern in Köln).

Insofern ist dieser UVV-Passus eben kein "Freifahrtschein", der zum kopflosen Überbordwerfen der UVV und Verheizen von FA berechtigt, sondern eher das unfallversicherungsrechtliche Pendant zum "rechtfertigenden Notstand", da es Situationen gibt, in denen es auch mal mehr zu wagen gibt, sonst wird jede Menschenrettung regelmäßig erfolglos verlaufen, wenn man nur solche Maßnahmen treffen kann, die ein sicheres Tätigwerden erlauben.
Der §35 StVO berechtigt ja auch nicht dazu, alle Regeln über Bord zu werfen, sondern dazu, sie da wo es geboten ist, nicht zu beachten.


Das ist ja eben einer der strittigen Punkte. Ich sehe das, gerade jetzt, so wie du. Andererseits beziehen sich die FwDV auf die UVV (z.B. im Vorwort zur 1: "Bei der Ausbildung und im Einsatz sind die Grundsätze der UVV zu beachten"), die UVV aber nur vereinzelt auf Teile der FwDV'en. Das könnte man so hinbiegen, das der § 17 der UVV die FwDV's aushebelt, und nicht andersherum.
Nein, das kann man nicht. Die FwDV sagt "UVV sind zu beachten" (genau wie die GUV-V A1 in §2 das gesamte staatliche Arbeitsschutzrecht inkorporiert!), daraus lässt sich aber nicht folgern, dass die Regelungen der UVV auch auf die FwDV (oder andere staatliche Vorschriften) anzuwenden sind. Sonst könnte der Unfallversicherungsträger ja durch entsprechende Regelungen in seinem Regelwerk auch Einfluss auf das staatliche Recht nehmen ...

Die besondere Stellung der Feuerwehren im Sinne der Unfallverhütung wird z. B. auch im §3 der GUV-V A1 deutlich. Während für "normale" Arbeitsplätze eine Gefährdungsbeurteilung analog ArbSchG durchzuführen ist, heißt es dort:
"(5) Für Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im
Zivilschutz unentgeltlich tätig werden, hat der Unternehmer Maßnahmen zu
ergreifen, die denen nach Abs. 1 bis 4 dieser Vorschrift gleichwertig sind."

Der UVT hat also durchaus erkannt, dass Feuerwehrdienst etwas besonderes ist und nicht grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie bei "normalen" Arbeitsplätzen gestellt werden können, so dass Sonderregelungen im Sinne der Aufgabenerfüllung notwendig sind. Die gleichwertigen Maßnahmen sind dann u. a. die Regelungen der FwDV und der Führungskreislauf, der ja eine auf die spezielle Einsatzsituation zugeschnittene iterative Gefährdungsbeurteilung darstellt.

Mr. Blaulicht
27.05.2008, 15:11
Ich denke auch, dass man vor einer solchen Argumentation, wie sie an erster Stelle in diesem Thema angestellt wurde, erst einmal nach den Hintergründen der Versicherungsvorschriften schauen.
Diese Vorschriften werden meines Wissens nach aus zwei Gründen erstellt:

um dem Versicherten einen gewissen Schutz zu bieten und ihm die Grenzen aufzuzeigen, innnerhalb dessen er versichert ist.
um die Versicherung selbst vor ungerechtfertigten Forderungen zu schützen.


Jetzt könnte man ohne den "Einzelfall-Passus" im Ernstfall - also wenn man von der Vorschrift abgewichen ist und dann etwas passiert ist - argumentieren: "Tja, Ihr habt Euch nicht an die Regeln gehalten => Wir zahlen nix!"
Mit diesem Passus kann man dann allerdings sagen: "Doch, wir haben uns an die Regeln gehalten, denn Ausnahmen sind zur Menschenrettung erlaubt."

Ich denke, der Passus wurde aus eben diesem Grund eingefügt (und ist auch dementsprechend zu interpretieren), dass man auch in Ausnahmefällen - wenn Menschenleben (egal ob eigenes Personal oder fremder Patient) in Gefahr ist - den vollen Vericherungsschutz besitzt.

Gruß, Mr. Blaulicht

Brandbatsch
27.05.2008, 19:16
Ich denke auch, dass man vor einer solchen Argumentation, wie sie an erster Stelle in diesem Thema angestellt wurde, erst einmal nach den Hintergründen der Versicherungsvorschriften schauen.
Diese Vorschriften werden meines Wissens nach aus zwei Gründen erstellt:

um dem Versicherten einen gewissen Schutz zu bieten und ihm die Grenzen aufzuzeigen, innnerhalb dessen er versichert ist.
um die Versicherung selbst vor ungerechtfertigten Forderungen zu schützen.


Jetzt könnte man ohne den "Einzelfall-Passus" im Ernstfall - also wenn man von der Vorschrift abgewichen ist und dann etwas passiert ist - argumentieren: "Tja, Ihr habt Euch nicht an die Regeln gehalten => Wir zahlen nix!"
Mit diesem Passus kann man dann allerdings sagen: "Doch, wir haben uns an die Regeln gehalten, denn Ausnahmen sind zur Menschenrettung erlaubt."

Ich denke, der Passus wurde aus eben diesem Grund eingefügt (und ist auch dementsprechend zu interpretieren), dass man auch in Ausnahmefällen - wenn Menschenleben (egal ob eigenes Personal oder fremder Patient) in Gefahr ist - den vollen Vericherungsschutz besitzt.

Gruß, Mr. Blaulicht

Nö,die Versicherung wird sich heraus reden, den es gibt ja die UVV und nun muss man den Nachweis erbringen das es nötig war in dieser Situation so zu Arbeiten und es keine andere Möglichkeit gab die Arbeit zu leisten ist

Gruß Michael

nederrijner
27.05.2008, 19:19
Ich denke, der Passus wurde aus eben diesem Grund eingefügt (und ist auch dementsprechend zu interpretieren), dass man auch in Ausnahmefällen - wenn Menschenleben (egal ob eigenes Personal oder fremder Patient) in Gefahr ist - den vollen Vericherungsschutz besitzt.
Eher nicht.


SGB VII
§ 7 Begriff
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

§ 110 Haftung gegenüber den Sozialversicherungsträgern
(1) Haben Personen, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 beschränkt ist, den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt, haften sie den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs.
Festzuhalten: Versichert ist man bei Arbeitsunfällen (Definition beachten, darüber wird meist gestritten) immer, unabhängig von der Einhaltung von Vorschriften und der Verschuldensfrage.
Ein Rückgriff ist aber u. U. bei Vorsatz (Wissen und Wollen des Eintretens des Schadens) und grober Fahrlässigkeit (grobe Sorgfaltspflichtverletzung, die jedem anderen aufgefallen wäre) möglich. Beide Fälle wollen wir doch aber auch bei der Menschenrettung nicht, das fällt dann unter das oben von mir erwähnte "kopflose Überbordwerfen und Verheizen".

nederrijner
27.05.2008, 19:23
Nö,die Versicherung wird sich heraus reden, den es gibt ja die UVV
Nein.


und nun muss man den Nachweis erbringen das es nötig war in dieser Situation so zu Arbeiten und es keine andere Möglichkeit gab die Arbeit zu leisten ist
Ja.
Und das ist auch gut so, solche Maßnahmen müssen die Ausnahme (Einzelfall) bleiben und der letzte Ausweg sein, wenn andere, erlaubte Maßnahmen nicht zu Erfolg führen.

Meiner Meinung nach kann man da gut den rechtfertigenden Notstand als Referenz heranziehen:

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben (Anm: im StGB kommen jetzt noch Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut) eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

Maulwurf
27.05.2008, 19:47
wieso schaut man nicht einfach auf die Seiten der Unfallkassen:

Quelle: http://www.ukrlp.de/index.php?tblnr=praevention&category=12&artid=1414

Ausbildung, Übung & Einsatz
Abweichung von UVV bei Menschenrettung

Die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Feuerwehren“ dient ausschließlich dem Zweck, Gefahren von den Feuerwehrangehörigen (versicherte Personen) abzuwehren.
Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren gegenüber Dritten sind hier nicht geregelt.

Nach § 17 (1) Satz 2 dieser Vorschrift kann im Einzelfall bei Einsätzen zur Rettung von Menschenleben von den Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften abgewichen werden.

Hier ist der Einzelfall eines „rechtfertigenden bzw. entschuldigenden Notstandes“ gemeint. Nach Abwägung aller erkennbaren Risiken und der gebotenen Möglichkeiten darf nur dann von den Unfallverhütungsvorschriften abgewichen werden, wenn dies für die Rettung von Menschenleben nötig ist.

Die Regelung dient also in erster Linie den Einsatzleitern, konsequent vor dem Hintergrund einer entsprechenden Lage notwendige Maßnahmen zu ergreifen, bei denen wegen einer Menschenrettung ein unkonventionelles Vorgehen erforderlich ist.
Solange eine Abwägung zwischen erkennbaren Risiken für die Einsatzkräfte und gebotenen Möglichkeiten gegeben ist, also der Grundsatz: „Eigenschutz geht vor Fremdschutz“ im wesentlichen beachtet wird, werden auch die Schutzziele der UVV „Feuerwehren“ erfüllt.

Abweichungen von den Vorschriften bei Organisation und Ausrüstung unter Hinweis auf die hier behandelte Klausel sind hingegen nicht zulässig.

DG3YCS
27.05.2008, 20:11
Hi,

also genau das was nederrijner geschrieben hat und wie ich es gelernt habe!

1. die UVV soll schaden von den EINSATZKRÄFTEN abwenden.
Es ist nicht Sache der UVV weiteren Schaden von evtl. "zu rettenden" abzuwenden!
Dies wird durch andere Regelungen gemacht.

2. Ist es zur Menschenrettung (EGAL WER) erforderlich das zur Sicherstellung des Einsatzerfolgs von der UVV in einem Vertretbaren Maß abgewichen wird!
(Verhältnismäßigkeit!) so ist dieses Zulässig und kann nicht als Verstoss gegen die UVV nachteilig bei evtl. Schadensfällen ausgelegt werden!

Auch die Analogie zum Rechtfertigenden Notstand ist hier erwähnt!

Gruß
Carsten