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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : der Umgang mit Sterbenden



Steiger
30.07.2007, 14:42
"der Tod in der modernen Gesellschaft"
Was muss ein schwer kranker Mensch in heutiger Zeit alles erleben, spüren ?

Ein menschenwürdiges Sterben in heutiger moderner Zeit ist fast nicht mehr möglich.
Es steht zwar alles an Technik bereit, doch an menschlicher Zuwendung mangelt es in
vielen Bereichen.
Durch eigener Erfahrung im Rettungsdienst bekommt man den Eindruck
das der Tod immer mehr verdrängt wird! Der Tod wird technisch + maschinell aus dem Leben“getrieben“.
Grundsätzlich wird alles getan um Leben zu erhalten, doch dem Sterbenden hilft es nicht viel.
Bsp.: die schwer kranke Patientin aus dem Pflegeheim wird durch diensth. Bereitschaftsarzt in die Klinik eingewiesen. Der Rettungsdienst mit RTW o. KTW rückt an und fährt seinen Einsatz.

Doch ist es wirklich noch normal ? Jede(r) der im RD tätig ist weiß wie brenzlig solche Situationen sich darstellen
Entscheiden zum Transport oder nicht mehr transportfähig.
( muss diese “Stadt - Tour“ mit der sterbenskranken 86 jährigen Patientin überhaupt sein, kommt sie bis ins Krankenhaus und was dann ? )
-In einem Raum in der Notfallambulanz alleingelassen sterben, im letzten Lebensabschnitt dann noch irgendwo liegen ? “im kalt wirkendem Klinikflur zwischen Fliesen und grellem Licht die letzten Minuten erleben“?
-In den Krankenhäusern kommt noch die alltägliche Hektik hinzu, Personalmangel und der ganze Trubel.
Welcher Notarzt / Arzt setzt sich schon gerne den Hut auf und lässt solche
Patienten zu Hause ? = einige führen es so durch


Welche Erfahrungen habt Ihr zu diesem Thema ? Meinungen ?

(sollte sich in heutiger Zeit jeder eine Patienten-Verfügung ausstellen ? )


Gruß Steiger

Florian Feuerbaer
30.07.2007, 14:53
Meine gerade wieder aktuelle Erfahrung ist, das im KH oder Altenheim das Personal zu wenig auf das Sterben vorbereitet wird. Sicher, im KH wird geachtet das Menschenleben zu erhalten... aber leider kann viel Personal nicht mit dem Tod, oder Menschen die bald sterben werden umgehen.
Ich habe gerade die Woche wieder erlebt, wie eine Frau alleine im Bett morgens gestorben ist, und dem Personal ist mehr als 2 Stunden nichts aufgefallen......Die Tochter hat Sie dann gefunden.... Sehr unschöne Sache.
Dagegen positive eindruck habe ich mit Hospiz gemacht, dort scheint das Personal deutlich besser mit den Menschen umgehen zu können.

Pipsi
31.07.2007, 18:15
Moin!

@ Feuerbaer:
Mich würde mal interessieren, was Du arbeitest?

Was erwartest Du denn vom Pflegepersonal im Krankenhaus? Dass es "rund um die Uhr" bei den Patienten am Bett steht? Es ist noch nichtmal verboten, 2 Stunden nicht zum Patienten zu gehen. Ich sehe da auch nichts verwerfliches drin. Außerdem, wer sagt denn, dass die Frau nicht erst 15min oder gar 2min bevor die Tochter das Zimmer betrat, gestorben ist????


Dagegen positive eindruck habe ich mit Hospiz gemacht, dort scheint das Personal deutlich besser mit den Menschen umgehen zu können.

Wofür sind denn Hospize da? Hier bereiten sich die Leute die dort Leben und das Personal (dass übrigens über einen weitaus besseren Stellenschlüssel verfügt als das KH) lange gemeinsam auf das Sterben vor. Auch das Personal hier hat eine ganz andere Motivation hier zu arbeiten und die Beziehung zu den Bewohnern ist eine ganz andere, die man mit einem Krankenhaus oder Pflegeheim gar nicht vergleichen kann.

Gestorben wird auch im Krankenhaus immer. Die weit aus größeren Wiedersprüche finden sich dagegen wirklich im Altenheim. Hier sehe ich in der Tatsache, für sterbende Menschen den Notarzt zu rufen, eher einen Ausdruck der persönlichen Hilflosigkeit. Der eigenen Hilflosigkeit darüber, mit dem Tod umgehen zu können. Der RD ist in diesem Falle ja nur die ausführende Kraft, die den Patienten wegbringt. Und das Krankenhaus nur das Transportziel.

Und was soll jetzt hier im Krankenhaus so tolles passieren, was nicht auch viel besser zu Hause, oder im Pflegeheim hätte geschehen können?
Das Personal hat nunmal nicht die Zeit, sich daneben zu setzen und diesen Menschen auf seinem letzten Weg ein Stück weit zu begleiten. (Auch, wenn es das manchemal gerne machen würde) Aber es sind ja noch mind. 20 andere Patienten auf der Station, die das gleiche Recht auf "Zuwendung" erwarten. dazu kommen noch die ganzen administrativen Aufgaben ... e.t.c. für die mind. 20 weiteren Patienten. Das Pflegepersonal wird in der Ausbildung schon und in div. Fortbildungen schon recht umfangreich im Umgang mit sterbenden und deren Angehörigen geschult. Aber auch hier gibt es natürlich einfach Menschen, denen diese ganze Thematik einfach "unangenehm" ist, oder die damit nicht so gut umgehen können. (Genauso wie im Rettungsdienst, Altenheim oder sonstwo)

Also - was erwartest Du, was hier im Krankenhaus geschehen soll???

Das Problem über den Umgang mit dem Tod / Sterben ist ein gesellschaftliches Problem. Und kein AH, RD oder KH eigenes Problem... Der Tod wird immer mehr und immer weiter verdrängt (vor allem in den Köpfen). Nur irgendwann lässt er sich nicht mehr weiter verdrängen oder aufhalten. Dann ist er einfach da.

Steiger
02.08.2007, 13:14
Das Problem über den Umgang mit dem Tod / Sterben ist ein gesellschaftliches Problem. Und kein AH, RD oder KH eigenes Problem... Der Tod wird immer mehr und immer weiter verdrängt (vor allem in den Köpfen). Nur irgendwann lässt er sich nicht mehr weiter verdrängen oder aufhalten. Dann ist er einfach da.

Fakt ist: In den nächsten Jahren wird das immer komplizierter, es darf, es muß .....usw... - Personal wird noch mehr reduziert.
Die Sterbenden werden mit Ihren Ängsten+Sorgen immer mehr allein gelassen!
Wir erleben doch in jetziger Zeit schon oft den Trend "Deckel zu und fertig-total anonym weg gebracht"(ist das menschlich?)

doch drehen wir einmal die Zeit zurück:
vor vielen Jahren hat der Tod noch richtig zum Leben der Menschen dazugehört, Familienmitglieder vom Kleinkind aufwärts erlebten den Tod eines nahen Angehörigen mit.
Die Verstorbenen wurden damals im eigenen Hausflur aufgebahrt, es konnte
jeder in Ruhe und in gewohnter Umgebung Abschied nehmen. Es folgte der Abtransport mit einem Leichenwagen(mit Pferden bespannt) oft dahinter noch ein geschmückter Blumenwagen, die Verwandten, Freunde usw.folgten dem Trauerzug bis zum Friedhof.
bis weit in die 1960er Jahre wurde es so vollzogen o.ähnlich, damals musste bestimmt kein Orts-sanitäter mit ner Packung Valium losziehen um einige für gewisse Zeit zu"unterdrücken" - das Sterben als solches gehörte mehr zum Leben wie in heutiger Zeit!

Pille112
02.08.2007, 18:42
@ Steiger:
...da geb ich Dir völlig recht.

Was hat die Menschheit nur vor der "Installation" von Krieseninterventions- und Notfallseelsorgediensten gemacht, sprich die letzten 1,8 Millionen Jahre von Homo erectus bis heute?

Pipsi
02.08.2007, 23:16
@ Steiger:
...da geb ich Dir völlig recht.

Was hat die Menschheit nur vor der "Installation" von Krieseninterventions- und Notfallseelsorgediensten gemacht, sprich die letzten 1,8 Millionen Jahre von Homo erectus bis heute?

Und genau das ist jetzt der Moment, an dem ich mich aus dieser Diskussion rausklinken werde.

Gute Nacht!

Mr. Blaulicht
09.08.2007, 15:31
bis weit in die 1960er Jahre wurde es so vollzogen o.ähnlich, damals musste bestimmt kein Orts-sanitäter mit ner Packung Valium losziehen um einige für gewisse Zeit zu"unterdrücken" - das Sterben als solches gehörte mehr zum Leben wie in heutiger Zeit!
Jaja, früher war alles besser.
Sterben gehört zum Leben dazu wie eine Geburt. Das Problem liegt aber nicht daran, dass Pflegepersonal nicht mit dem Thema umgehen kann, sondern an den Angehörigen.
Oftmals können sich Leute auch gar nicht mehr die Zeit für ihre sterbenden Angehörigen nehmen. Oft sind alle Kinder (Männer und Frauen) berufstätig, früher (auch 1960) lag die familiäre Versorgung bei den Frauen, die den Haushalt machten. So etwas gibt es heute kaum noch.
Zweitens ist das Geschäft des Zuhause-Pflegens für "Normalmenschen" unbezahlbar. Un bis die Pflegekassen endlich mal zahlen, vergeht viel zu viel Zeit.

Da werden die Sterbenden doch lieber ins Krankenhaus gebracht. Das ist billiger, bequemer und mit dem eigenen Arbeitsplatz vereinbar.

Auch im Krankenhaus sind solche Leute völlig falsch. Eine persönliche Sterbebegleitung durch die Pflege kann so gut wie nie stattfinden. Zumindest nicht, ohne die anderen 20 Patienten auf Station zu vernachlässigen.

PS: Wer Trauernden oder anderen Leuten mit einer Posttraumatischen Stressreaktion oder Belastungsstörung Valium oder andere Beruhigungsmittel gibt, sollte sich ernsthaft Gedanken machen, ob er wirklich weiß, was er tut!!!

Gruß, Mr. Blaulicht