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feuerteufellars
24.07.2006, 08:28
Rettungsassistenten ließen bewusstlosen Patienten zurück


Zwei Rettungsassistenten, 37 und 39 Jahre alt und seit 1991 im Rettungsdienst tätig, ließen am Abend des 6. Mai 2004 einen 48-jährigen volltrunkenen, bewusstlosen Mann in Zangberg, Landkreis Mühldorf, hilflos zurück. Der Patient verstarb einige Zeit später. Er war an Erbrochenem erstickt. Hatte das Amtsgericht Mühldorf gegen die beiden Angeklagten nur eine »Verwarnung mit Vorbehalt«, eine Art »Geldstrafe zur Bewährung«, wegen fahrlässiger Tötung verhängt, so verschärfte die Vierte Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Johann Dörr auf Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil. Die beiden Rettungsassistenten müssen jeweils 90 Tagessätze Geldstrafe zahlen. Bei unterschiedlichen Tagessatzhöhen macht das für den 37-Jährigen 2700 Euro, bei seinem zwei Jahre älteren Kollegen 1800 Euro aus.

Als die beiden Angeklagten damals an den Einsatzort kamen, waren zwei Männer bei dem 48-Jährigen, einem Monteur aus der Ex-DDR, der während der Woche auf einer Brückenbaustelle der Bahn arbeitete. Nach der Arbeit hatte er eine ausgiebige Zechtour unternommen. Rechtsmediziner ermittelten später einen Blutalkoholgehalt von 3 bis 3,5 Promille. Die beiden Zeugen hatten den Monteur von der Gaststätte mit einem Schubkarren nach Hause geschafft. Sie brachten den Betrunkenen in die »stabile Seitenlage« und riefen Hilfe. Die beiden hauptberuflichen Rettungsassistenten registrierten einen normalen Puls und weigerten sich, den Betrunkenen mitzunehmen. Sie packten den nicht ansprechbaren und nicht weckbaren Patienten in eine Decke und ließen ihn in »stabiler Seitenlage« im Hausflur liegen. Um fünf Uhr lebte er noch. Um 6.50 Uhr wurde er tot aufgefunden.

Witwe fordert Schmerzensgeld

Im Ersturteil vom Februar hieß es: »Es war erkennbar und vorhersehbar, dass eine Gefahr durch Ersticken bestand. Alleine die stabile Seitenlage genügte nicht.« Das Amtsgericht Mühldorf befand beide Angeklagte der fahrlässigen Tötung für schuldig. Der Richter gelangte zu einer »Verwarnung mit Vorbehalt«. Erst im Falle einer neuerlichen Straftat wären die Geldstrafen von jeweils 2700 Euro fällig gewesen. Gegen den vorangegangenen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 3000 Euro hatten die Rettungsassistenten Einspruch eingelegt.

Die »Verwarnung« war der Staatsanwaltschaft nicht genug Strafe für eine »fahrlässige Tötung«. In dem jetzigen Prozess war der Schuldspruch bereits rechtskräftig. So musste die Vierte Strafkammer ausschließlich die Höhe der Strafe neu festlegen. In der Hauptverhandlung verlas der Vorsitzende Richter ein Anwaltsschreiben namens der 56-jährigen Witwe des Verstorbenen. Darin wurde argumentiert, ihr 48-jähriger Ehemann sei der Ernährer der Familie und »kerngesund« gewesen. Die Witwe fordere von den Angeklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 285 000 Euro.

In diesem Zusammenhang fragte Johann Dörr nach einer eventuellen Berufshaftpflichtversicherung. Das Ergebnis: Beide Rettungsassistenten sind nicht selbst oder über ihren Arbeitgeber, das Bayerische Rote Kreuz, haftpflichtversichert für einen derartigen Fall. Das sei auch gar nicht möglich, wie die Verteidiger – Peter Müller und Guido Stadtmüller, beide aus Mühldorf – informierten. Aber: Es bestehe eine Betriebshaftpflichtversicherung des BRK. Ob diese einspringt, wird derzeit noch geprüft. Einen Regressanspruch der Angeklagten gegenüber ihrem Dienstherrn Rotes Kreuz haben die beiden Rechtsanwälte schon geprüft. Dazu Guido Stadtmüller am Rande des Prozesses: »Bisher gibt es in der Rechtsliteratur keine Entscheidung gegen eine Hilfsorganisation.«

Staatsanwalt Ralf Burkhard betonte im Plädoyer, die von den Angeklagten angeschnittenen finanziellen Folgen für sie selbst reichten nicht, um von einer Strafe abzusehen. Burkhards weitere Argumente griff das Gericht in der Urteilsbegründung weitgehend auf. Verteidiger Peter Müller hob heraus: »Die Angeklagten werden künftig jeden Betrunkenen ins Krankenhaus fahren. Das wird während des Volksfestes dann den Betrieb zusammenbrechen lassen.« Dortige Ärzte hätten erklärt, sie seien »nicht zuständig für Bierleichen«, sei doch »Betrunkensein keine Krankheit«. Die jetzigen drei Beobachtungszellen in der Klinik habe es zur Tatzeit noch nicht gegeben. Möglicherweise wäre das Opfer »auf dem Gang im Krankenhaus erstickt«. Bei der Polizei werde in der Ausnüchterungszelle »die Klappe nur einmal pro Stunde geöffnet«. Guido Stadtmüller, der Verteidiger des 39-Jährigen, bezeichnete das Urteil des Amtsgerichts als »völlig korrekt« und beantragte, die Berufung des Staatsanwalts zurück zu weisen.

»Nicht zuständig für Bierleichen«

Vorsitzender Richter Johann Dörr hielt beiden Angeklagten ihr bislang tadelloses Vorleben zu gute. Sie hätten sich in ihrem Beruf für die Gesellschaft eingesetzt. Positiv zu werten sei außerdem, dass sie die Folgen der Tat bedauerten. Zudem habe eine gewisse Mitschuld des Opfers vorgelegen – durch den vielen Alkohol. Dörr nannte unter den strafschärfenden Aspekten: »Sie waren verpflichtet, dem Patienten in dessen hilfloser Situation Hilfe angedeihen zu lassen. Ein Bewusstloser Mann müsse ins Krankenhaus gebracht werden. Bei Fahrlässigkeit sei die Höhe der Strafe auf das »Maß der Pflichtwidrigkeit« und die »Folgen der Tat auf der Opferseite« abzustellen: »Das Opfer ist tot.« Der Vorsitzende Richter weiter: »Die Vorbehaltsverwarnung des Erstgericht war eine Strafe an der untersten Grenze. Wir sehen keine besonderen Umstände, um die Angeklagten vor Strafe zu verschonen.«




Quelle: http://www.traunsteiner-tagblatt.de/includes/mehr.php?id=9265

rotkreuz
24.07.2006, 09:05
das passiert leider, Alkohol ist halt manchmal auch ein Notfall und somit ein Fall für den RTW. Das kann manchmal eine Gradwanderung sein.

thorben1248
24.07.2006, 23:23
es sollte jedem ersthelfer klar sein, was person nicht ansprechbat bedeutet!
wenn der fall wie dargestellt war, halte ich härtere strafen für angemessen. insbesondere das berufsverbot! ich möchte nicht wissen, wie viele solcher gespanne wüten und nie belangt werden..........

hannibal
25.07.2006, 06:56
"solche Gespanne" sind auch eigentlich ganz arm dran

mal ehrlich, in welchem Krankenhaus werdet Ihr nachts mit offenen Armen begrüßt wenn Ihr die 3. Bierleiche bringt?

DIese wandern dann auf Inentsiv und die wirklich schlimmenFälle fahren wir nachts 3 Stunden durch die Gegend...

MatthiasO
25.07.2006, 07:20
Naja, Bierleiche ist ja nun nicht gleich Bierleiche - wenn der Patient eindeutig nicht erweckbar ist dann ist das mit sicherheit ein Fall für die Klinik, wenn nicht gar für den Notarzt. Bewußtlos ist eben gleich Bewoßtlos, dann ist die Ursach erstmal zweitrangig...

Abwägung kommt m.E. nur dann ins Spiel wenn man es mit einem ansprechbaren Patienten zu tun hat. Auch dieser kann eine Gefahr für sich selbst darstellen. Und jeder Fall bei dem der Rettungdienst entscheidet einen Patienten nicht zu fahren birgt ein gewisses Risiko - und das kann dann auch schief gehen...

Brandbatsch
25.07.2006, 09:07
Bierleiche wer will so was in die Klinik bringen !
Pol sagt "zu besoffen für uns" hilft nur einen Notarzt holen , der morgens um 3 Uhr einen dicken Hals kriegt, und dann entscheidet er was gemacht wird , dass vermeidet eventuell den Ärger den die zwei hatten .

Gruß Michael

hannibal
25.07.2006, 09:15
der NA kommt denkt daran das er Hausdienst im KH hat und sich nicht die ganze nacht damit rumplagen will;

also schreibt er ihn haftfähig

ausserdem kann es nicht sein das jemand eine nacht Intensiv 1400 € auf Kassenkosten verbringt nur weil er sich den arsch zusaufen musste

Wenn es nach mir geht dann müssten die alle selbst zahlen

Glubschi
25.07.2006, 09:43
es sollte jedem ersthelfer klar sein, was person nicht ansprechbat bedeutet!
wenn der fall wie dargestellt war, halte ich härtere strafen für angemessen. insbesondere das berufsverbot! ich möchte nicht wissen, wie viele solcher gespanne wüten und nie belangt werden..........


Das nenn ich "Arbeitsunfall"...



der NA kommt denkt daran das er Hausdienst im KH hat und sich nicht die ganze nacht damit rumplagen will;

also schreibt er ihn haftfähig

ausserdem kann es nicht sein das jemand eine nacht Intensiv 1400 € auf Kassenkosten verbringt nur weil er sich den arsch zusaufen musste

Wenn es nach mir geht dann müssten die alle selbst zahlen

Genau,so seh ich das auch. Aber wenn er keine Kohle hat dies zu bezahlen,dann sitzt der Papastaat wieder mit drinnen...

Fabpicard
25.07.2006, 11:13
Bierleiche wer will so was in die Klinik bringen !
Pol sagt "zu besoffen für uns" hilft nur einen Notarzt holen , der morgens um 3 Uhr einen dicken Hals kriegt, und dann entscheidet er was gemacht wird , dass vermeidet eventuell den Ärger den die zwei hatten .

Gruß Michael

Da muss ich dir mal recht geben...

Is doch wurscht, ob der NA nen Hals bekommt, ist das mein Problem???

Wenn ich den nicht aufwecken kann (wie in dem Fall da gestellt) dann lass ich doch nen anderen die Entscheidungen treffen...

Und wenn der nur "immer wieder einschläft" wo er ja auch in die Bewusstlosigkeit fallen kann, dann fahr ich den ins KH... wenn die den dann wieder heim schicken, ist das nicht mehr mein Problem...

Sicher ist eben sicher, warum muss man wohl so viele Leute dazu überreden, nicht doch mal mit ins KH zu kommen, um bestimmte sachen abklären zu lassen?

Ich bin zwar auch gerne im Rettungsdienst tätig, aber das "Notarzt"-Rückenschild, darf ich trotzdem nicht tragen, und da bleiben tut nur, wer noch eine "Mitfahrtverweigerung" unterschreiben kann.

MfG Fabsi

hannibal
25.07.2006, 11:16
ne verweigerung von jemandem der sternhagelvoll ist ist nicht mal das Papier wert auf dem Sie steht

Bei mir würde jeder der mit Diagnose C2 in KH kommt sowohl Transport und KH selber zahlen

viele verwechseln Krankenhaus mit Hotel
und RTW mit Taxi

ist so;

MatthiasO
25.07.2006, 11:47
Nochemal, dieser Patient war offensichtlich bewußtlos - Bewußtlosigkeit an sich ist, egal, welche Ursache, eine NAW-Indikation und allemal ein Fall für die Klinik.

Stichworte beim ausgewachsenen Alkoholintox sind neben dem Verlust der Schutzreflexe auch gerne mal Ateminsuffizienz bis hin zum Atemstillstand...

Warum also beim vorliegen einer Bewußtlosigkeit noch diskutieren?

Brandbatsch
25.07.2006, 12:19
Nochemal, dieser Patient war offensichtlich bewußtlos - Bewußtlosigkeit an sich ist, egal, welche Ursache, eine NAW-Indikation und allemal ein Fall für die Klinik.

Stichworte beim ausgewachsenen Alkoholintox sind neben dem Verlust der Schutzreflexe auch gerne mal Ateminsuffizienz bis hin zum Atemstillstand...

Warum also beim vorliegen einer Bewußtlosigkeit noch diskutieren?

genau und dann NEF oder besser NAW her und weg !

Gruß Michael

PS: haben in unserem bereich leider nur NEF!!!!!

Fabpicard
25.07.2006, 14:54
ne verweigerung von jemandem der sternhagelvoll ist ist nicht mal das Papier wert auf dem Sie steht

Ich meinte ja auch nur die, die es noch können, das kleine wörtchen am ende ging wohl etwas unter in dem satz ;)

Natürlich lass ich einen, der nichtmal 30cm gerade gehen kann nicht liegen, nur weil er es geschafft hat innerhalb einer halben stunde 3 kleine kreuzchen zu machen...

MfG Fabsi

Dodo15
27.07.2006, 21:12
hey mal so ne frage ist wer hier von ecuh rettungsassistent oder rettungsassistentin????

Green Beret
27.07.2006, 22:47
@ Dodo15

Ja hier gibst einige RAs.

marlon
27.07.2006, 23:10
[...]
wenn der fall wie dargestellt war, halte ich härtere strafen für angemessen. insbesondere das berufsverbot! ich möchte nicht wissen, wie viele solcher gespanne wüten und nie belangt werden [...]

Ich glaube wir sind uns alle einig, dass hier so einiges schief gelaufen ist. Alkoholabhängigkeit ist nebst Fettsucht, Rauchen, Dorgen usw. eine der grössten Gesellschaftskrankheiten unserer Zeit. Und genau hier liegt der Punkt. Betrunke sind leider nicht selten.

Wie im Bericht ja erwähnt, gibt es zu diesem konkreten Fall weder fundierte Literatur noch einschlägige Leitentscheide. Fahrlässige Tötungen gibts wie Sand am Meer, diese Fallkonstelation ist jedoch neu. Nun ist die Rechtsprechung gefordert. Sprechen sie zu milde Strafen aus, ist die Sache schnell wieder vergessen, und der "Erziehungseffekt" für die ganze Branche fällt weg. Urteilt das Gericht zu hart, ist die Abschreckung so hoch (nicht nur bei den RAs, sondern auch bei anderen Beteiligten, mit oder ohne Garantenstellung), dass bald jeder mit über 1 Promille ins Krankenhaus kommt, seis per RTW oder sonst wie. Auch diese Lösung wäre wohl kaum zu frieden stellend.

Das Gericht muss also in casu einen Mittelweg finden. Keine leichte Aufgabe.

Zum Haftpflichtaspekt. Ich denke auch da sollte man Vorsicht walten lassen. Einerseits ist der Opferfamilie ein Versorgerschaden entstanden, welcher rein durch den Schadenersatz ziffernmässig relativ hoch ausfällt, hinzu kommt die Genugtuung. Anderseits ist der Schaden durch ein Unterlassung und nicht durch ein aktives Tun (Begehungsdelikt) entstanden. Weiter ist das massive Selbstverschulden des Opfers zu beachten.

So sollte man in casu also auch bei der Festlegung von Schadenersatz und Genugtuung etwas vorsichtig sein.

item ... interessanter Fall mit Signalwirkung.

F64098
28.07.2006, 08:17
Anderseits ist der Schaden durch ein Unterlassung und nicht durch ein aktives Tun (Begehungsdelikt) entstanden.


Und genau dafür gibt es den §13 StGB. Als Garanten haben die Rettungsdienstmitarbeiter durch die Unterlassung die Tat eben doch begangen.



Weiter ist das massive Selbstverschulden des Opfers zu beachten.


Als Bewußtloser?

MfG

Frank

marlon
28.07.2006, 09:29
Und genau dafür gibt es den §13 StGB. Als Garanten haben die Rettungsdienstmitarbeiter durch die Unterlassung die Tat eben doch begangen

Natürlich bestreit ich auch gar nicht. Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, ob ein Erfolgsdelikt durch ein aktives Tun oder durch eine unechte Unterlassung erfüllt wird. Die Grarntenstellung ist hier klar gegeben, wodurch pflichtwidrig gehandelt wurde. Die Rechtsprechung hat aber immer wieder gezeigt, dass sie fahrlässige Unterlassungen nachwievor etwas (und wirklich nur etwas) milder bestraft, als die reine Fahrlässigkeit (durch ein aktives Tun). Dies kommt so vor, auch wenn das Gesetz grundsätzlich keine Unterscheidung macht.


Als Bewußtloser?

Auch wenn er mit diesem BAK grundsätzlich Zurechnungsunfähgig war, wird der Umstand der Trunkenheit trotzdem beachtet. Dabei ist zu beachten, dass das Opfer bewusst Alkohol getrunken hat. Dabei nahm er auch in Kauf zu einem späteren Zeitpunkt zurechnungsunfähig bzw. bewusstlos zu sein. Dies spielt vor allem bzgl. der Haftpflicht eine Rolle. Es entschuldigt zwar nichts, aber man spricht da trotzdem von einem gewissen (vielleicht nicht massiven) Eigenverschulden. Denn das Opfer hat die Grundvoraussetzung selbst geschaffen.