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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eine Geschichte über Frauen im Rettungsdienst



Florian kommen
16.09.2004, 14:51
hi..

habe eine recht nette Geschichte über Frauen im Rettungsdienst gefunden. Lest sie euch einfach mal durch.

Teil 1:

Juten Tach, Frau Doktor !!

Oder: Frauen im Rettungsdienst





Also dann ... Ich bin vom Christoph (höchstpersönlich !!) gebeten worden, meinen unglaublich großen Erfahrungsschatz von sage und schreibe 16 Monaten auf seiner Homepage zu verewigen. Und zwar soll es um das Thema „Frauen im Rettungsdienst“ gehen. Also Christoph, ich werde mein bestes geben !



Alles fing damit an, dass ich mich vor meinem Abi nicht so recht entscheiden konnte, was ich machen sollte; und das wurde mir zum „Verhängnis“. Ich bewarb mich also im zarten Alter von 19 Jahren beim Deutschen Roten Kreuz um ein Freiwilliges Soziales Jahr (im folgenden nur noch FSJ genannt). Wenige Wochen später wurde mir telefonisch mitgeteilt, dass ich eine der wenigen Auserwählten sein könnte, denen jedes Jahr das Privileg zuteil wird, ihr FSJ im Rettungsdienst zu verbringen. Nach einem Anfall von ohrenbetäubendem Jubel sagte ich schließlich zu.



Und so machte ich mich (jung und naiv ) auf in die (50 km entfernte) Fremde, um meines neuen Handwerks Herr (oder eher Frau) zu werden. Mit anderen Worten, ich besuchte den insgesamt 4 Wochen dauernden Fachlehrgang für Rettungssanitäter(innen) (schon hier war ein erheblich höherer Männeranteil zu bestaunen J), daran schlossen sich 4 Wochen Krankenhauspraktikum an. Dann, endlich, nach zwei Monaten schwitzen, schuften und lernen durfte ich meine ersten Stunden auf der Rettungswache verbringen. Ich konnte vor Nervosität kaum schlafen und kam am nächsten Morgen mit schlotternden Knien an. Da stand ich nun vor der Tür (und jetzt ?, zitter). Ich klingelte letztendlich dann doch (nicht ohne mir in Gedanken einen Fluchtplan zurechtzulegen). Die Tür ging auf und vor mir stand, was einmal einer meiner Lieblingskollegen werden sollte.



„Ha-ha-hallo ! Ich b-b-bin d-das Lisbeth.“ (Name aus Sicherheitsgründen von der Redaktion geändert). Ich wartete, aber mein Gegenüber machte keine Anstalten mich aufzufressen, also fasste ich neuen Mut und trat ein. Mein Zukünftiger (nicht Mann, sondern Kollege) begrüßte mich freundlich und bat mich, doch einzutreten. Als ich, schüchtern wie ich am Anfang halt bin, den Aufenthaltsraum betrat war ich zugegebenermaßen etwas erstaunt; da stand ich doch glatt (schluck) so etwa acht bis neun Männern und nicht einer einzigen Frau gegenüber. Naja, auch egal, nächster Versuch: „Ha-hallo, ich b-bin das Lisbeth“(na also, geht doch schon was besser) „und ich mache hier mein FSJ.“ Nachdem sich alle vorgestellt hatten und sich niemand als gemeingefährlicher Irrer herausstellte (damals kannte ich halt noch nicht alle, nicht wahr Herbert !?), ging es mir schon etwas besser.



Ich wurde als erstes mit weißen Klamotten beladen und dann in den Damenumkleideraum bugsiert. Ich zog also meine neue Arbeitskluft an und kehrte zurück zu den anderen. Mir wurde ein Sitzplatz auf der Couch, sowie ein Becher Kaffee angeboten (heute weiß ich, dass das eine große Ehre ist). Dann wurde ich sanft darauf vorbereitet, dass mich ab heute ein gewisser Lehrrettungsassistent (!?!), im folgenden LRA, unter seine Fittiche nehmen würde, um seine unendliche Weisheit mit mir zu teilen und mich auf meinen Abschlusslehrgang vorzubereiten. Bis dahin lauschte ich also den Fachsimpeleien, die in der Küche, zumeist im schönsten Eifeler Platt, ausgetauscht wurden:

„Och nööö, nicht schon wieder ´ne HiLoPe (???) ...“

„... der Cocktail haut normalerweise ’nen Elefanten um und der Typ war immer noch nicht platt. Valium, Dormicum und Psyquil (aaaaaaah !!), nicht schlecht !“



Plötzlich erscholl neben mir ein schrilles Piepen, jemand zuckte zusammen und fiel fast von der Couch und alle anderen lachten. Mir wurde dann erklärt dies sei ein Funkmelder gewesen. Selbiger hätte die unangenehme Eigenschaft neben dem Piepsen auch noch zu vibrieren, was bei gelegentlicher Unaufmerksamkeit eines Kollegen regelmäßig zur Erheiterung der anderen Kollegen (oder sollte ich sagen „Kollegoiden“ ?) beitrug.

Mit einem Blick auf den Dienstplan stellte man(n) dann fest, dass besagter LRA heute gar nicht erscheinen würde und nach dem Austausch einiger ratloser Blicke wurde ich zu zwei grauen Metallkisten befördert, von denen ich heute weiß, dass es die Notfallkoffer waren.

So begann meine Lehrzeit (die ich mit kalten Duschen und anderen kleinen „Foltereien“ bezahlen musste) und nach meinem zum Glück bestandenen Abschlusslehrgang begann meine Arbeitszeit (aber die „Foltereien“ gehen trotzdem weiter, oder Herbert ?). Meine Kollegen hatten schon einige sowohl gute als auch schlechte Erfahrung mit meiner Spezies gemacht und so war das Klima von Anfang an eigentlich ziemlich in Ordnung und ist es immer noch. Was ich meinen Kollegen wirklich hoch anrechne ist die Tatsache, dass sie offenbar mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten hatten als ich anfangs selber, denn ich war mir meiner selbst doch nicht so sicher, wie es mir lieb gewesen wäre (das ist inzwischen anders, Ehrenwort). Wenn ich einen Fehler gemacht habe, hat man mir diesen erklärt und ich habe ihn (hoffe ich jedenfalls !!) nicht noch mal gemacht. Toll fand ich auch, dass ich jeden mit meinen (manchmal ziemlich blöden) Fragen löchern konnte bis es ihm zu den Ohren rauskam.



Weniger von meinen Kollegen, als von den Patienten kam mir Misstrauen entgegen. Dass eine (arme, kleine, schwache) Frau – so wurde es jedenfalls einmal in meiner Anwesenheit und extra laut geflüstert – den armen alten Opa von höchstens 50 Kg etwa drei Treppenstufen bis zum Auto tragen sollte, schien manchen Angehörigen, und den Patienten erst recht, nicht ganz zu schmecken (Zitat: „Oh wei, oh wei, oh wei !!“ Zitat Ende). Und diese Tatsache wollte m i r nicht so recht schmecken. Ich fühlte, und fühle, mich nämlich durchaus in der Lage auch schwerere Patienten heil ins Auto zu befördern. In diesem Zusammenhang muss ich allerdings zugeben, dass ich (glücklicherweise) bis jetzt noch nie in die Verlegenheit gekommen bin 150 Kg oder mehr aus dem ersten Stock eine Hühnerleiter hinunter tragen zu müssen. Auch muss ich hier zugeben, dass ich kaum eine Gelegenheit sausen ließ, mir von Praktikanten, die zusätzlich auf dem Auto waren, „zur Hand gehen“ zu lassen (denn wer faul ist muss auch schlau sein J).



Jetzt mal im Ernst. Ich denke ich kann auch die Patienten verstehen. Da kommt doch so eine kleine und scheinbar nicht besonders kräftig aussehende Frau an, und versucht einem glaubhaft zu versichern, dass sie einen problemlos aus der Wohnung im ersten Stock zum Auto tragen könne. Ich glaube da würde ich auch erst mal etwas verunsichert aus der Wäsche schauen, denn meine Knochen sind mir heilig. Dazu muss ich aber auch sagen, dass sich nie jemand geweigert hat, sich von mir tragen zu lassen (es blieb ihnen ja schließlich nichts anderes übrig, hä hä). Dieses Verhalten macht mir nicht wirklich was aus. Ich weiß schließlich, was ich kann und sollte es aber doch einmal der Fall sein, hätte ich auch keine Probleme damit zuzugeben, wenn mir ein Patient wirklich zu schwer wäre.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind nächtliche Einsätze bei denen mir doch etwas mulmig wurde. Ich finde es nämlich nicht besonders witzig, von zugekifften, bodygebuildeten (mehr oder weniger) Jugendlichen – teilweise nicht besonders charmant – angebaggert zu werden. Auch war es manchmal gar nicht so einfach einem betrunkenen Kneipenbruder klarzumachen, dass es ihn nichts angeht, ob ich verheiratet bin oder nicht.



Mir ist noch etwas aufgefallen. Egal zu welchem Einsatzort wir bei NAW-Einsätzen kamen und egal wie viele Notärzte aus dem (deutlich mit „Notarzt“ gekennzeichneten) NEF ausstiegen, wurde ich stets mit „Guten Tag Frau Doktor“ begrüßt. Das ist zwar amüsant, zeigt einem jedoch deutlich, dass Frauen im Rettungsdienst zur Zeit noch etwas eher ungewöhnliches sind.

Ich glaube ich habe so ziemlich alle Reaktionen von Patienten auf eine Frau im Rettungsdienst mitbekommen. Die Palette reicht von Misstrauen über Bewunderung bis zu einfachem Erstaunen. Aber selbstverständlich war mein Auftauchen so gut wie nie.



Trotzdem kann ich sagen, dass meine Zeit im Rettungsdienst die beste Zeit meines Lebens war. Die Arbeit hat mir wirklich Spaß gemacht und ich hatte auch nie wirklich Probleme. Auf diesem Weg kann ich mich auch gleich bei allen meinen Kollegen für die schöne Zeit bedanken.

Ich komme wieder !! (das ist keine Drohung, das ist ein Versprechen J).



Ich hoffe, dass sich niemand durch mein (etwas fragwürdiges) schöpferisches Talent auf den Schlips getreten fühlt. Diejenigen unter den Lesern, die mich kennen, wissen, wie ernst ich zu nehmen bin. Trotzdem hoffe ich, dass man ernstzunehmende Teile von den weniger ernstzunehmenden unterscheiden kann.





Anmerkung der Redaktion „ Diese Frau ist durchaus ernst zu nehmen ! Und viele Grüße an Herbert ?! „

Teil 2:

folgt im nächsten Post, denn die komplette Geschichte ist zu lang für einen Post.

Gruß Stefan

Florian kommen
16.09.2004, 14:52
Hier der 2. Teil.

Da sich anscheinend niemand anderes bereit erklärt hat seine geistigen Ergüsse auf dieser Seite zu veröffentlichen und auf vielfaches Bitten hin, sehe ich mich gezwungen den Leser mit einer weiteren Folge meiner unglaublichen Karriere im Rettungsdienst zu „beglücken“.



Ich bin wie eine Seuche! Wer sich mich einmal angelacht hat, wird mich nicht so schnell wieder los! Diese Erfahrung mussten auch meine Kollegen machen J.



Nun denn, nach einem überaus glücklichen Jahr bei meinen Kollegen nahte das Ende meiner Karriere. So packte ich also meine sieben (eigentlich mehr einhundertzwanzig) Sachen und machte mich auf in die große weite Welt, in eine wunderschöne, hier aus Gründen des Datenschutzes nicht näher genannte Stadt am Rhein, um mich dort dem Studium eines Mysteriums zu widmen, das die Welt bewegt, sprich ... dem Computer. Nun ja, ich muss zugeben selbiger ist für mich bis heute ein Mysterium geblieben, was meine kläglichen Versuche eines Studiums schon nach zwei Semestern zunichte machte.

Aber was nun ...?

Die Trauerzeit auf der Wache war noch nicht vorüber, da stand ich schon wieder auf der Matte. Und ich wurde wurde mit Kusshand wieder in die Gemeinschaft der ehrenwerten Retterinnen und Retter aufgenommen. Das lag zwar hoffentlich auch an meinem unnachahmlichen Charme und meiner sagenhaften Intelligenz, aber wohl mehr an einem Mangel an firmeneigenen Sklaven, genannt Zivis.

Meine Dienste verliefen ähnlich denen des vorherigen Jahres. Ich dachte ernsthaft darüber nach den Fortgeschrittenenkurs „Urologie - wie wechsele ich einen Katheter?“, sowie den Kurs „Osteuropäische Kommunikationsformen II“ and der ortsansässigen Volkshochschule zu besuchen.

Außerdem machte ich nähere Bekanntschaft mit der schon früher eingetroffenen weiblichen Verstärkung (neeee, so nah nun auch wieder nicht!). Und da es sich bei unserer Wache um eine moderne und fortschrittliche Wache handelt, kam mein Chef bald auf die Idee eine neue Art des Transportwesens im Rettungsdienst einzuführen. Bei dieser neuartigen Möglichkeit des Patientenbetreuung handelt es sich um ein inzwischen etabliertes Modell, genannt „Chicken Rescue“, bei dem sich zwei weibliche Angestellte der betreffenden Rettungswache auf einem Auto befinden.

Und wenn schon das Auftauchen eines einzigen Exemplars dieser Spezies erstaunen hervorgerufen hatte, so kann sich jeder die Reaktion unseres armen alten Opas aus Teil I vorstellen, als dieser sich plötzlich mit zwei Exemplaren ohne männlich Begleitung konfrontiert sah. Hätte er gekonnt wäre er sicherlich seinen Fluchtinstinkten gefolgt. Er konnte aber nicht, hä hä.

Doch auch diese wunderbare Etappe meiner Karriere musste einmal zuenden gehen. Denn ich hatte beschlossen, es nocheinmal mit einem Studium zu versuchen. Ausgehend von einer exakten Analyse meiner Interessen studiere ich heute auf Urlaub und fühle mich sehr wohl dabei.

Das heißt jedoch lange noch nicht, dass meine Kollegen mich endlich losgeworden sind J. Denn nach einer 3-monatigen Eingewöhnungsphase an meiner neuen Uni kam ich schon wieder angekrochen. In Anbetracht meines Studienfaches habe ich meine Arbeitszeit leider auf 24 Stunden im Monat reduzieren müssen.

Was den Wiedereinstieg in die Gemeinschaft nach meiner kurzen Auszeit erschwerte waren geringfügige Änderungen in verschiedenen Bereichen der Wache. Abgesehen von dem neuen Auto, in dem ich heute noch ab und zu die Kupplung suche, war dies vor allem die Umorganisation des Lagers. Habe ich mich bis dahin in dieser Umgebung recht gut zurecht gefunden, so können mir heute nur noch detaillierte Lagepläne und ein voll funktionsfähiges GPS die Orientierung in dieser Gegend ermöglichen. Eine weitere Verschlechterung meiner Situation bewirkt die Tatsache, dass ich wieder zuckend von der Couch falle, wenn der Melder aufgeht. Alle anderen finden das sehr lustig.

Was meine kleine Hoffnung, die interessanten Einsätze müssten sich ja nun an einen Dienst im Monat ereignen, angeht kann ich allen, denen es genauso geht nur sagen: dem ist nicht so. Niemand kann sich vorstellen wie viele Katheter allein in meinen Revier rumliegen, die natürlich alle nachts verstopfen. Manchmal habe ich auch das leise Gefühl, meine Kollegoiden gehen vor meinen Diensten durch die Stadt und verteilen kostenlos Alkohol.

Aber so leicht lasse ich mich nicht unterkriegen, denn noch bin ich hier und ich kann allen garantieren: Macht Euch keine Hoffnungen, denn ...



ICH KOMME WIEDER
UND WIEDER
UND WIEDER
UND WIEDER

UND WIEDER



Getreu meinem Motto: Keine Gnade

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Gruß Stefan!